Most (epd). Chanov ist ein armes Viertel der Stadt Most, gelegen im Nordwesten Tschechiens nahe der sächsischen Grenze - geprägt von Plattenbauten als Wohnort vieler Roma-Familien. Die örtliche Schule erkannte früh das Beben, das in Corona-Zeiten den Schulunterricht erschütterte. Die Lehrer merkten sofort, dass geordneter Unterricht schwierig werden würde und suchten Unterstützung.
Eine der Helferinnen ist Eva Pavlíková, die Chefin der Initiative Cesko.Digital. Sie hat hier ein Pilotprojekt gestartet. Ziel ist es festzustellen, wie sich Online-Unterricht unter schwierigen schulischen Voraussetzungen ermöglichen lässt.
„Die Ausgangslage für eine Verbesserung ist gut, weil die Schule sehr engagiert ist“, sagt sie. Und so könnte es sein, dass diese Initiative im wahrsten Wortsinn Schule macht. Denn es ist eine tschechische Besonderheit, dass sich eine private Initiative um das Homeschooling verdient macht.
Cesko.Digital ist ein Zusammenschluss von IT-Experten, die schon lange vor Corona daran arbeiteten, das Land zu digitalisieren - als ehrenamtliche Überzeugungstäter. Als vor rund einem Jahr zum ersten Mal die Schulen geschlossen wurden, bot die Initiative umgehend ihre Hilfe an. „Während die öffentliche Verwaltung ein großer Tanker ist, sind wir ein Schnellboot“, sagt Pavlíková. Als das Ministerium noch an Konzepten arbeitete, waren ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter schon in den Schulen aktiv: Sie bauten Hardware auf und zeigten Lehrern, wie man damit umgeht. „Ucime Online“ nannten sie das Projekt: „Wir lehren online“.
Zugleich boten sie Seminare an, in denen auch Lehrer, die vom digitalen Unterricht noch nie etwas gehört hatten, didaktische Hilfestellung bekommen. Weil die IT-Experten das allein nicht leisten können, holten sie online-affine Lehrerinnen und Lehrer an Bord, die ihre Kollegen in digitalen Seminaren schulen. Inzwischen sind in der Initiative mehr als 600 Lehrer aus ganz Tschechien zusammengeschlossen, die ehrenamtlich solche Weiterbildungen anbieten.
Viele der Seminarteilnehmer arbeiten an gut ausgestatteten Schulen, andere aber auch an solchen, wo es an allem fehlt. Hier kommt die Schule in Chanov ins Spiel: An ihr werden modellhaft unterschiedliche Ansätze ausprobiert. 180 Schüler gibt es dort, viele von ihnen nehmen am Online-Unterricht teil, andere holen sich ihre Aufgaben lieber ausgedruckt in der Schule ab.
Als erstes stattete die private Initiative bedürftige Familien mit Endgeräten aus, zur Verfügung gestellt von Sponsoren. „Wir haben zwar als Schule ein paar Tablets verliehen, aber wir haben selbst nur wenige“, erzählte Schulleiterin Monika Kynclová beim Start des Projekts im tschechischen Fernsehen. „Deshalb sind wir sehr dankbar für die Hilfe.“
Schnell stellte sich heraus, dass die technische Ausstattung nur ein Teil des Problems ist. Manche Kinder lebten in so problematischen Verhältnissen, dass sie das nicht am Videobildschirm der ganzen Klasse zeigen wollten, heißt es bei Cesko.Digital. Häufig redeten sie sich dann damit heraus, dass sie keinen Computer hätten.
„Wir haben zwei Ansatzpunkte“, erläutert Lucie Zajicková, die bei der ehrenamtlichen Initiative die Schulprojekte koordiniert: „Zum einen bieten wir Webinare an, in denen wir die Lehrer gezielt auf diese Aspekte vorbereiten. Sie sollen auf die Entfernung erkennen, wie sie dem Kind helfen können - was gar nicht so einfach ist, wenn man sich nur virtuell sieht.“ Zum anderen werden örtliche Sozialdienste einbezogen.
„Sie können am besten einschätzen, welche Familien am meisten Hilfe benötigen“, sagt Zajicková. Ihre Initiative versucht deshalb, die Schule in Chanov mit den Sozialdiensten und den Eltern ins Gespräch zu bringen. Private Sponsoren bezahlen außerdem Lehr-Assistenten, die helfen sollen, trotz der Distanz beim Online-Lernen eine individuelle Förderung aufrecht zu erhalten - ein Netzwerk, das in einer Mischung aus digitalen Formaten und handfester Kompetenz vor Ort die Bedingungen verbessern könne. Die Erfahrungen sollen später auf andere Orte in Tschechien übertragen werden.