RSF-Geschäftsführer: Richtlinie gegen Einschüchterungsklagen nötig
Frankfurt a.M. (epd). Der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) in Deutschland, Christian Mihr, hält die geplante EU-Richtlinie gegen Einschüchterungsklagen für erforderlich. „Journalismus findet heute zunehmend transnational statt“, sagte er am Montag beim Presserechtsforum des Deutschen Fachverlags (DFV) in Frankfurt am Main. Reporter würden immer häufiger grenzüberschreitend verklagt. Dies betreffe vor allem Länder wie Bulgarien oder Rumänien, in denen die Rechtsstaatlichkeit schwach ausgeprägt sei. Kläger seien oft Unternehmer mit politischen Interessen.
Die EU-Kommission will sogenannten Slapp-Klagen, mit denen Journalisten und Aktivisten eingeschüchtert werden sollen, mit einer neuen Richtlinie begegnen. Slapp steht auf Englisch für „strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“. Laut dem im Frühjahr 2022 vorgelegten Entwurf der Kommission müssen die EU-Staaten künftig dafür sorgen, dass Gerichte solche Klagen frühzeitig als offensichtlich unbegründet abweisen können.
Christoph Fiedler vom deutschen Zeitschriftenverleger-Verband MVFP äußerte Skepsis, ob die Richtlinie in Ländern mit großen rechtsstaatlichen Defiziten überhaupt etwas bewirken würde. In Staaten mit funktionierenden Rechtssystemen sei sie hingegen nicht nötig und könne sogar nachteilig sein. Das Problem sei ähnlich wie beim geplanten Medienfreiheitsgesetz, das die EU-Kommission ebenfalls mit Blick auf bestimmte osteuropäische Staaten auf den Weg gebracht habe, sagte Fiedler, der beim Medienverband der freien Presse (MVFP) Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik ist.
Nach Ansicht des Rechtsanwalts Michael Fricke von der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Hamburg gibt es in Deutschland nur vereinzelt Slapp-Klagen. Diese seien vor deutschen Gerichten auch gut ohne zusätzliches Instrumentarium aus einer EU-Richtlinie abzuwehren, sagte er.
Der Hamburger Rechtsanwalt Roger Mann verwies als Moderator der Diskussionsrunde darauf, dass auch in Deutschland Einschüchterungsklagen mit hohen Schadenersatzforderungen gegen Medien eingereicht würden. Diese seien selbst in dem Fall, dass sie unbegründet erscheinen, für die Verlage durchaus problematisch, weil beispielsweise Rückstellungen gebildet werden müssten.
Die neue EU-Richtlinie soll dann greifen, wenn eine grenzüberschreitende Dimension vorliegt, also nicht beide Parteien im selben Land wie das angerufene Gericht ansässig sind. Der Entwurf der Richtlinie liegt derzeit beim Rat der Mitgliedstaaten und beim EU-Parlament. Beide Organe können Änderungen vorschlagen und müssen sich am Ende auf eine gemeinsame Fassung einigen.
Das Presserechtsforum wird organisiert von der Zeitschrift „Kommunikation & Recht“, die in der DFV Mediengruppe in Frankfurt erscheint, und der Hamburger Anwaltskanzlei Damm & Mann. Die jährliche Veranstaltung fand zum zwölften Mal statt. Knapp 150 Teilnehmer diskutierten über aktuelle Fragen des Presse- und Medienrechts.
rid