Preisverdächtig: "Mühlengärtle" ist beispielhaftes Ehrenamt
Schülerinnen spenden Einnahmen chronisch kranken Menschen
Von Susanne Lohse (epd)
Gemmingen (epd). Die Lust auf Gartenarbeit verspürten im Frühjahr 2020 viele Menschen. Grete Zürn aus Gemmingen im Landkreis Heilbronn brachte der erste Lockdown zugleich auf die Idee, mit Pflanzen etwas Gutes zu tun. Der Erlös ihrer Blumen- und Gemüsesetzlinge sollte kranken Menschen zukommen. „Ich hatte früher schon einmal Gelder aus einem Projekt für chronisch Kranke gespendet“, sagt die 16-Jährige.
Heute, eineinhalb Jahre später, ist ihr Projekt „Mühlengärtle“ für den Publikumspreis des Deutschen Engagement-Preises in Baden-Württemberg nominiert. Bis 20. Oktober kann die Schülerin, die zusammen mit ihrer Schwester und einer Freundin das „Mühlengärtle“ ins Leben gerufen hat, noch Stimmen für den mit 10.000 Euro dotierten Preis einsammeln. Bundesweit haben sich 403 Projekte dafür qualifiziert, davon 24 aus Baden-Württemberg. Die Preisverleihung soll im Dezember in Berlin stattfinden.
Zu den Bewerbern aus dem Südwesten zählen unter anderen das Projekt „Seadlons“ aus Karlsruhe, das sich für Mikrokredite für weibliche Kleinbäuerinnen in Uganda einsetzt, oder „All Sky View“ aus Geislingen, dessen Initiatoren ein Gerät zur Messung von Lichtverschmutzung entwickelt haben. Alle Nominierten sind bereits Preisträger anderer Engagementpreise.
Der Deutsche Engagementpreis wird seit 2009 vom Bündnis für Gemeinnützigkeit in fünf Kategorien sowie als Publikumspreis verliehen. Er wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Deutschen Fernsehlotterie und der Deutschen Bahn Stiftung gefördert. Ziel des Anerkennungspreises ist es, freiwilliges Engagement zu unterstützen.
So hatte das „Mühlengärtle“ bereits Platz eins beim Jugend Diakoniepreis der Diakonie und der evangelischen Jugend in Württemberg und Baden belegt und war einer der vier Preisträger der Hertie-Stiftung. Diese Stiftung fördert Projekte, die sich Krankheiten des Nervensystems widmen.
Rund 1.000 Pflanzen haben Grete und ihre Schwester Carlotta zusammen mit der gemeinsamen Freundin Nina Waidler gezogen: Sonnenblumen, Malven, Gurken, Zucchini, Mangold, zehn verschiedene Tomatensorten. Kräuter füllten zudem zwei Etagen im Gewächshaus. Etwa 1.500 Euro kamen aus dem Verkauf der Pflanzen zusammen. Im Winter setzte das „Mühlengärtle“ die Spenden-Sammelaktion mit einer Backaktion fort. Die etwa 40 Kilo Plätzchen brachten weitere 900 Euro ein.
Betroffen von einem Mukoviszidose-Fall im Bekanntenkreis beschlossen die Schülerinnen, über die wenig bekannte Stoffwechselkrankheit, bei der zäher Schleim nach und nach die Zellen und Organe verstopft, aufzuklären. Über soziale Medien erreichte das zunächst lokale Projekt eine große Reichweite. „Eines Tages bekamen wir aus Hannover ein Paket mit Blumentöpfen geschickt“, erinnert sich die 19-jährige Carlotta.
Überwältigt waren die Schülerinnen, dass auch die Hertie-Stiftung ihren Einsatz mit 5.000 Euro Preisgeld auszeichnete. „Das flossen die Tränen, da explodierten die Gefühle“, erinnert sich Nina Waidler an den Moment, als die Stiftung anrief. Mit dem Preisgeld und dem Erlös der Pflanzen- und Backaktion unterstützt das Trio den örtlichen Mukovizidose-Verein sowie junge Menschen, die an der Nervenkrankheit Multiple Sklerose (MS) erkrankt sind.
In knapp zwei Jahren haben Grete, Carlotta und Nina fast 9.000 Euro gespendet. Es sei schön, „über so eine große Summe Geld selbst entscheiden zu dürfen“, sind sich die drei einig. Wichtiger seien jedoch die persönlichen Gespräche, die über die Spendenaktion zustande gekommen seien und das „Gefühl, als junger Mensch etwas bewegen, helfen zu können“, betont Nina Waidler. (2166/20.09.2021)