Kirche und Politik

"Betroffene leiden darunter, wenn ihnen nicht geglaubt wird"

Drei Fragen an Vikar Jakob Nehring zum Long-Covid-Gottesdienst

epd-Gespräch: Julia Riese

Fürth (epd). Menschen mit Long-Covid-Symptomen wie Myalgischer Enzephalomyelitis /Chronischem Fatigue Syndrom (ME/CFS) können meist keinem normalen Alltag nachgehen. Ihr körperliche Leistungsfähigkeit ist stark beeinträchtigt. Um auch nach der Pandemie Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken, veranstaltet die Auferstehungskirche in Fürth am 12. Mai um 9.30 Uhr einen thematischen Gottesdienst. Er soll vor allem Betroffenen und Angehörigen Kraft geben, sagte Vikar Jakob Nehring, der zusammen mit Kantorin Sirka Schwartz-Uppendieck den Gottesdienst gestaltet, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Herr Nehring, warum organisieren Sie zum Thema Long Covid einen Gottesdienst?

Jakob Nehring: Unsere Organistin hat einen Verwandten, der davon betroffen ist. In der Nordkirche sind solche Gottesdienste schon bekannter und dort hat sie eine Liturgie gefunden, die uns die Idee gab. Das Thema Long Covid kommt zwar immer mal wieder in der Presse vor, aber es kommt bei den meisten Menschen nicht an. Wir wollen Aufmerksamkeit schaffen, was für eine ernste Krankheit ME/CFS ist und wie sehr die Menschen auch darunter leiden, wenn ihnen nicht geglaubt wird.

epd: Statt eines Bibeltextes steht im Zentrum der Predigt der Bericht eines betroffenen jungen Mannes, aus dem vorgelesen wird. Womit hat er zu kämpfen?

Nehring: Das ist der Verwandte unserer Organistin. In dem Erfahrungsbericht wird sehr deutlich, dass ME/CFS eine Krankheit ist, die jeden überfallen kann. Bei dem Betroffenen haben sich die Symptome sehr extrem entwickelt. Irgendwann konnte er nur noch mit verbundenen Augen in einem dunklen Raum liegen, weil Licht und jedes Geräusch zu viel Belastung für ihn waren. Die Untersuchungen im Krankenhaus haben noch zu einer Verschärfung der Symptome geführt, weil sie eine starke Belastung waren. Das Einzige, was dabei hilft, ist absolute Ruhe. Und das ist auch etwas ganz anderes als bei psychischen Erkrankungen, mit denen ME/CFS oft verwechselt wird. Denn dort kann es helfen, sich draußen zu bewegen. Das führt oft zu gut gemeinten Tipps an Betroffene, die ihnen leider gar nichts bringen.

epd: Viele Betroffene sind gar nicht in der Lage, an einem Gottesdienst teilzunehmen. Wie sprechen Sie diese trotzdem an?

Nehring: Statistisch gesehen müsste es allein in Fürth fast 400 Betroffene geben. Wir nehmen während des Gottesdienstes eine Videobotschaft für Instagram auf und singen das Lied „Möge die Straße“. Zu dem Video wird es auch Untertitel geben, weil der Ton die Betroffenen unter Umständen überfordern könnte. Wir hoffen auch, dass Angehörige weitertragen, dass es dieses Video gibt. Das Ziel ist, Hoffnung zu vermitteln. Unser Gottesdienst richtet sich an Angehörige, denen es guttut, wenn das Thema Aufmerksamkeit bekommt. Aber auch alle, die sich dazu informieren wollen, sind herzlich eingeladen. (00/1447/10.05.2024)

Landeskirche und Dekanat richten Projektstelle für Spiritual Care ein

München (epd). Mit einer Projektstelle für Spiritual Care wollen die bayerische Landeskirche und das Dekanat München die spirituelle Versorgung von Pflegebedürftigen stärken. Die promovierte Theologin Nika Höfler werde für einen „ganzheitlichen Pflegeansatz“ bestehende Konzepte auswerten und Kontakte zu Akteuren aus Politik, Medizin und Pflege knüpfen, teilte die Landeskirche am Freitag mit. Die Projektstelle ist auf drei Jahre befristet und eine Kooperation von Landeskirchenamt und Dekanat München.

Spiritual Care basiere auf einem ganzheitlichen Menschenbild, „das in der heutigen medizinischen und pflegerischen Praxis leider oft vernachlässigt wird“, sagte Höfler laut Mitteilung. Es fehle an der nötigen Zeit, an Personal oder an Wissen. Ziel der 33-jährigen Pfarrerin ist, alle Berufsgruppen, die in der Patientenversorgung tätig sind, für Spiritual Care zu sensibilisieren und zu schulen sowie die Forschung zu dem Thema voranzutreiben. „Jeder Mensch ist spirituell, ob er sich so bezeichnet oder nicht“, betonte Höfler. Spiritual Care müsse fest in der Struktur der Landeskirche und in den Gesundheitseinrichtungen des Freistaats verankert werden. (00/1457/10.05.2024)

Podium und Diskussion zur Zukunft von Kirchenräumen in Innenstädten

München (epd). Um die Zukunft von Kirchenräumen und Städten geht es im Juni bei den „Summer Lectures“ in der evangelischen Auferstehungskirche München. Unter dem Motto „Die Umbaukirche - das Provisorium als kreativer Raum“ sprechen an zwei Abenden Architekten, Stadtplanerinnen und Künstler über die Kunst der Improvisation und eine neue „Umbaukultur“, teilte die Stiftung „Weiter-Denken - Protestantische Kultur und Stadtgesellschaft“ mit. Die Auferstehungskirche im Stadtteil Westend befinde sich derzeit selbst in einem Transformationsprozess: Die Gemeinderäume sollen erneuert und die Kirche für eine „vielfältige und gemeinwohlorientierte Nutzung zum Quartier“ geöffnet werden.

Nicht nur Kirchen müssten sich mit der Frage einer zukünftigen Nutzung beschäftigen, hieß es weiter, sondern auch Kaufhäuser oder große Firmenzentralen. Statt Orte, „die in ihrer bisherigen Nutzung obsolet geworden sind“, abzureißen, müsse eine „Umbaukultur“ entwickelt werden.

Über die „Improvisation von Raum“ spricht bei der ersten Veranstaltung Christopher Dell, Musiker und Professor für Urban Design, mit dem Architekten und Schreinermeister Sebastian Klawiter. Der zweite Abend widmet sich der „Obsoleten Stadt“. Die Stadtplanerinnen Ina Laux und Sabine Tastel diskutieren über städtische „Räume für Transformation“.

Die Summer Lectures sind eine Kooperation der evangelischen Stiftung Weiter-Denken, des Lehrstuhls für nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land an der Technischen Universität München, der Auferstehungskirche im Westend, der Kunstpastoral der Erzdiözese München und Freising und dem Bau- und Kunstreferat der bayerischen Landeskirche. (00/1460/10.05.2024)

Pfingstbrausen im Museum Kirche in Bad Windsheim

Bad Windsheim (epd). Die spätmittelalterliche Spitalkirche im Freilandmuseum Bad Windsheim, die seit 2006 das Museum Kirche in Franken ist, ist dem Heiligen Geist gewidmet. Zu Pfingsten soll dieser mit einem kurzen, die Sinne berührenden „heiligen Spektakel“ gefeiert werden, teilte das Museum am Freitag mit. Die Taube als Symbol des Heiligen Geistes spiele die Hauptrolle der Inszenierung mit brausendem Orgelspiel und flammendem Licht. Am 19. Mai werde sie in der Inszenierung ab 13.30 Uhr durch eine Luke im Dach, das „Heilig-Geist-Loch“, im Kirchenraum erscheinen.

Mitwirkende sind die Dekanatskantorin Anne Barkowski und der Lichtbildklub Nürnberg. Im Anschluss findet die Familienführung „Bühnenzauber unterm Kirchendach“ statt, in der das Geheimnis um das Heilig-Geist-Loch gelüftet werde. Das Pfingstbrausen soll der Mitteilung zufolge den Auftakt zu einer jährlich wechselnden Kunstinstallation bilden. (00/1463/10.05.2024)

Ausstellung zu 100 Jahre Hitler-Prozess im Justizpalast

München (epd). Mit einer Ausstellung zu „100 Jahre Hitler-Prozess“ setzt sich die bayerische Justiz mit einem „historischen Fehlurteil“ auseinander. Nach dem Putsch-Versuch von Adolf Hitler am 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller sei die Justiz nicht ihrer Pflicht nachgekommen, „den späteren Diktator auf seinem Weg zur NS-Herrschaft zu stoppen“, teilte das bayerische Justizministerium am Freitag mit. Im Zentrum der Ausstellung stehe eine Installation des Kabarettisten Christian Springer.

Zur Eröffnung am Montag (13. Mai) sprechen Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sowie Christian Springer für seine Initiative „Schulterschluss“ zur kulturellen und politische Bildung. Der Historiker Reinhard Weber erläutert die historischen Hintergründe zum Hitler-Prozess. (00/1464/10.05.2024)

"Wehrhaft sein mit Herz und Hirn"

Justizpalast: Christian Springer erinnert an 100 Jahre Hitler-Prozess

Von Christiane Ried (epd)

München (epd). Der Münchner Kabarettist Christian Springer kommt in Fahrt. „Wenn ich von der Bühne gehe, dann will ich das, was ich gesagt habe, auch im Alltag leben.“ Jeder müsse sich einmischen, findet er. Die Themen, die ihn seit Jahren umtreiben, sind: für Demokratie und Frieden und gegen jede Art von Menschenfeindlichkeit und Hass eintreten. Er hat den Verein „Orienthelfer“ gegründet, mit dem er den Menschen in den Krisengebieten im Nahen Osten helfen will. Mit der 2020 gegründeten Initiative „Schulterschluss“ will er politische Bildungsarbeit und einen Beitrag für eine lebendige Erinnerungskultur leisten.

Aktuell erinnert er mit einer dreiteiligen Installationsserie an 100 Jahre Hitlerputsch (1923), 100 Jahre Hitler-Prozess (1924) und 100 Jahre Hitler in Haft (1924). Ab dem 13. Mai bis voraussichtlich mindestens Ende Juni ist er im Münchner Justizpalast zu Gast, um an das Versagen der bayerischen Justiz im Hitler-Prozess zu erinnern. Wenn diese nicht auf dem rechten Auge blind und weniger mit der Rechtsaußen-Politik geliebäugelt hätte, dann hätte man den Aufstieg Adolf Hitlers vielleicht verhindern können, sagt Springer. Den Mittelpunkt seiner Installation bilden von der Decke hängende Stühle im Lichthof des Justizpalastes, die derzeit noch gebaut werden. Mit dem Stuhl-Symbol will Springer an die geschichtlichen Ereignisse erinnern.

Hitler war am Abend des 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller auf einen Stuhl gestiegen, hatte dann in die Luft geschossen und die Regierungen in Bayern und in Berlin für abgesetzt erklärt. Der Marsch auf die Feldherrnhalle am nächsten Tag konnte von der Polizei gestoppt werden, der Putschversuch schlug fehl. Hitler musste sich neben anderen Putschisten vor dem Münchner Volksgericht wegen Hochverrats verantworten. Die Strafe fiel - dank der rechtskonservativen Justiz - äußerst mild aus: Hitler wurde zu fünf Jahren Haft in Landsberg am Lech verurteilt, wo er sein Pamphlet „Mein Kampf“ schrieb. Nach neun Monaten wurde er wegen guter Führung wieder entlassen.

Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagt, dass die Justiz damals eine „unrühmliche Rolle gespielt und Hitler nicht gestoppt“ habe - obwohl es ihre Pflicht gewesen wäre. Die bayerische Justiz habe es zugelassen, dass Hitler den Gerichtssaal als Bühne für seine menschenverachtende Propaganda nutzen konnte. Über das Projekt von Christian Springer im Justizpalast freue er sich sehr, denn: Die Auseinandersetzung mit dem Aufstieg von Adolf Hitler sei gerade in diesen Tagen besonders bedeutsam. „Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte müssen Tag für Tag verteidigt werden.“

Das findet auch Christian Springer. Für ihn ist die Demokratie in Deutschland in ihrer jetzigen Form keine Selbstverständlichkeit. „Wir müssen alles daran setzen, dass sie auch weiter bestehen bleibt, wir müssen wehrhaft mit Herz und Hirn sein.“ Noch habe die AfD in keinem Landtag eine Mehrheit - „das beruhigt mich sehr“. Aber das könne sich bald ändern, warnt er mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im September, wo die AfD jeweils laut Umfrage derzeit stärkste Kraft ist.

Auf die Frage, warum er sich so sehr für Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagiert, muss er nur kurz nachdenken: vor allem die familiäre Vergangenheit, meint er. Seine Oma war Haushälterin bei der Familie des Mitbegründers der NS-Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, Alexander Schmorell. Aus Erzählungen habe er daher immer im Blick gehabt, was in München während der NS-Zeit los gewesen sei.

Anfang der 1990er-Jahre habe ihn seine Mutter zu den Demos und Lichterketten in Solidarität mit den Opfern der Brandanschläge auf Asylbewerberheime in Mölln (1992) und Solingen (1993) mitgenommen. Seine familiäre Vergangenheit sei für ihn immer ein Antrieb gewesen, sagt Springer: „Wir haben uns entschieden, nicht zu den Schlechten zu gehören. Und dafür muss man was tun.“ (00/1465/10.05.2024)

Lindner fordert Einsparungen von Baerbock und Schulze

Berlin/Passau (epd). Im Haushaltsstreit der Ampel-Koalition hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium erneut aufgefordert, ihre Ausgaben zu beschränken. „Unsere Wirtschaftskraft reicht nicht aus, um überall auf der Welt mitzumischen“, sagte Lindner den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Samstag). Die Frage, die sich beide Ministerien stellen müssten, sei: „Verbessern wir mit unserem Steuergeld wirklich Lebenschancen oder dienen die Projekte deutschen Interessen?“

In der internationalen Politik müssten harte Sicherheit und die Unterstützung der Ukraine Priorität haben, betonte der Finanzminister. Dabei gehe es um Frieden und Freiheit für Deutschland. „Mit Blick auf Geld für andere Teile der Welt werden wir über Zielgenauigkeit und Umfang sprechen müssen.“

Die Häuser von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben die Vorgaben des Finanzministers für den Haushalt 2025 deutlich überschritten. Das Entwicklungsministerium etwa hat „dringend notwendige Bedarfe“ in Höhe von 12,16 Milliarden Euro angemeldet. Das geht aus einem Schreiben an die zuständigen Abgeordneten der Ampel-Fraktionen hervor, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Die Höhe des Haushalts entspreche dem Haushaltsansatz von 2023 und liege bereits unter dem krisenbedingt erhöhten Ansatz von 2022, heißt es darin weiter. Das Finanzministerium hatte ursprünglich 9,9 Milliarden Euro für das Entwicklungsministerium vorgesehen - also rund zwei Milliarden Euro weniger als nun vom Ministerium veranschlagt. (00/1468/11.05.2024)

Kirchenstelle berät wachsende Zahl von Kriegsdienstverweigerern

epd-Gespräch: Pat Christ

Nürnberg (epd). Die Nachfrage nach Beratung zur Kriegsdienstverweigerung (KDV) bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern steigt. Ein Auslöser dafür ist der Ukraine-Krieg, weiß Claudia Kuchenbauer, seit 2005 Leiterin der in Nürnberg angesiedelten Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung. „Seit Kriegsbeginn denken auch viele Reservisten und Reservistinnen sowie junge Menschen, die ja seit 2011 nicht mehr gemustert werden, darüber nach, dass es zum Verteidigungsfall kommen könnte“, sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Vor dem Krieg habe die Beratungsstelle jedes Jahr eine bis fünf KDV-Beratungen durchgeführt, 2023 seien es zwölf Beratungen gewesen, in diesem Jahr bereits sechs. „Aktuell habe ich wöchentlich einen Anruf“, sagte Kuchenbauer. Bei der Verweigerung müsse man die Gewissensnot, die man potenziell hätte, darstellen. „Nun ist das Konzept des Gewissens durchaus anspruchsvoll.“ Wer sich auf dieses Grundrecht beziehe, müsse plausibel machen, dass es das Gewissen ist, das einem den Gebrauch einer Waffe gegen Menschen unmöglich macht.

Über den Antrag entscheide zuerst das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Verantwortung. Im Fall einer Ablehnung könne man Widerspruch einlegen und die Begründung ergänzen. Sollte das wieder abgelehnt werden, müsse man vor dem Verwaltungsgericht klagen. „Über die Gewissensnot wird also in einem Verwaltungsakt entschieden“, so Kuchenbauer. Für noch nicht erfasste Menschen sei vor allem interessant, zu erfahren, dass sie zuerst zu einer Musterung müssen, um überhaupt erfasst zu werden.

„Es sind viele vermeintliche Gewissheiten in den letzten Jahren zerbrochen“, sagte die Pfarrerin mit Blick auf den Frieden in Europa. Zuversicht gebe ihr jedoch das Vertrauen darauf, „dass die Verantwortlichen in Politik, in der NATO und auch alle zivilgesellschaftlichen Akteure kein Interesse an einer Eskalation haben“. Diplomatische Bemühungen seien oft in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar, sondern würden im Hintergrund ablaufen. (00/1470/12.05.2024)

Eine Frage des Gewissens

Claudia Kuchenbauer berät wachsende Zahl von Kriegsdienstverweigerern

epd-Gespräch: Pat Christ

Nürnberg (epd). Einmal im Jahr, nämlich am 15. Mai, wird derer gedacht, die sich dem Kriegsdienst widersetzen. Durch den Ukraine-Krieg gewinnt der Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung (KDV) auch in Deutschland an Brisanz. „Die neue Entwicklung weckt Ängste“, sagt Claudia Kuchenbauer, seit 2005 Leiterin der in Nürnberg angesiedelten Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. kokon unterhält auch eine KDV-Beratung.

epd: Frau Kuchenbauer, kürzlich war zu lesen, dass sich die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung bei der Bundeswehr von 2022 auf 2023 verfünffacht hätten. Steigt auch bei Ihnen die Nachfrage?

Claudia Kuchenbauer: Die angebliche Verfünffachung geht darauf zurück, dass 2022 erstmals auch die Anträge sogenannter Ungedienter, also nicht Gemusterter ohne Bundeswehr-Personenkennziffer, aufgenommen wurden. Tatsächlich ist die Zahl der Soldaten und Soldatinnen, die verweigerten, seit mehr als zehn Jahren stabil, rund 200 sind es jährlich. Sie verweigern, weil sie merkten, dass ihre Vorstellungen bei der Verpflichtung mit dem tatsächlichen Dienst nicht übereinstimmen. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine denken aber auch viele Reservisten und Reservistinnen sowie junge Menschen, die ja seit 2011 nicht mehr gemustert werden, darüber nach, dass es zum Verteidigungsfall kommen könnte. Und sie denken über eine Verweigerung des Dienstes an der Waffe nach. Diese Personengruppen wurden jetzt erst in die Statistik aufgenommen. Wir bei kokon hatten vor dem Ukraine-Krieg jedes Jahr eine bis fünf KDV-Beratungen. Übers letzte Jahr waren es zwölf Beratungen, in diesem Jahr aber bereits sechs. Aktuell habe ich wöchentlich einen Anruf. Vor 2011 lagen die Beratungszahlen bei jährlich zwischen 30 und 50. Dabei handelte es sich meist um junge Männer, die Zivildienst machen wollten.

epd: Wer lässt sich heute vor allem von Ihnen beraten?

Kuchenbauer: Seit 2021 haben sich vor allem Reservisten, die nachträglich den Dienst an der Waffe verweigern möchten, beraten lassen, aber auch Ungediente. Manchmal auch deren Eltern, die sich Sorgen machen. Soldatenanfragen sind eher selten. Hier ist auch eine rechtsanwaltliche Begleitung notwendig. Für die Beratung zur Begründung des KDV-Antrags werde ich aber auch von Soldaten und Soldatinnen kontaktiert.

epd: Im Grundgesetz heißt es, niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das klingt so, als ob es kein Problem wäre, den Kriegsdienst zu verweigern. Deckt sich dies mit Ihren Erfahrungen?

Kuchenbauer: Bei der Verweigerung muss man die Gewissensnot, die man potenziell hätte, darstellen. Nun ist das Konzept des Gewissens durchaus anspruchsvoll. Da geht es nicht um eine Vorliebe oder Abneigung. Wer sich auf dieses Grundrecht bezieht, muss plausibel machen, dass es das Gewissen ist, das einem den Gebrauch einer Waffe gegen Menschen unmöglich macht. In der Beratung höre ich allerdings auch, dass jemand einfach Angst hat, in den Krieg zu ziehen. Man möchte nicht sterben, man möchte nicht töten und nicht am Krieg beteiligt sein. Ich habe es auch mit Menschen zu tun, die beruflich stark in eine zivile Richtung gegangen sind. Vor Kurzem kontaktierte mich ein Heilerziehungspfleger. Dessen ganzer Lebensplanung merkt man an, dass dieser junge Mensch das Leben fördern will. Die Vorstellung, Leben vernichten zu müssen, passt hier überhaupt nicht rein.

epd: Wie geht es nach der Antragstellung weiter?

Kuchenbauer: Entschieden wird über den Antrag zuerst im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Verantwortung. Im Fall einer Ablehnung kann man Widerspruch einlegen und die Begründung ergänzen. Sollte das wieder abgelehnt werden, muss man vor dem Verwaltungsgericht klagen. Über die Gewissensnot wird also in einem Verwaltungsakt entschieden.

epd: Wie kann man sich Ihre Beratung konkret vorstellen?

Kuchenbauer: Ich informiere über die eben geschilderten Vorgänge. Für noch nicht erfasste Menschen ist vor allem interessant, zu erfahren, dass sie zuerst zu einer Musterung müssen, um überhaupt erfasst zu werden. Sie müssen sich also zunächst entscheiden, ob sie das wollen. Der Ausgang des Verfahrens bleibt ja völlig offen. Dann entwickeln wir im Gespräch, was Gewissensgründe im konkreten Leben sind. Die Prägung im Elternhaus, die Geschichte der Familie, existentielle Ereignisse und Erfahrungen, das alles kann ein Licht darauf werfen, wie das Gewissen geworden ist.

epd: Wie denken Sie persönlich über eine Mobilmachung in den nächsten fünf Jahren? Halten Sie dies für realistisch?

Kuchenbauer: Ich weiß es nicht. Es sind viele vermeintliche Gewissheiten in den letzten Jahren zerbrochen. Wenn ich einen Grund anführen müsste, der mir Zuversicht gibt, dann ist das, dass ich persönlich darauf vertraue, dass die Verantwortlichen in Politik, in der NATO und auch alle zivilgesellschaftlichen Akteure kein Interesse an einer Eskalation haben. Mir hat gut gefallen, dass die Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff erklärt hat, wie viele Verhandlungen aktuell im Hintergrund laufen. Solche diplomatischen Bemühungen brauchen vertrauliche Räume, da ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen, aber es wird viel angebahnt und gemeinsam guter Wille gebündelt.

epd: Was geht Ihnen als Friedensarbeiterin durch den Kopf, wenn Sie hören, wie Boris Pistorius sagt, dass wir immer noch so tun würden, als ob wir noch in Friedenszeiten lebten?

Kuchenbauer: Ich denke, er meint damit, dass wir uns fast nicht vorstellen können, dass wir unser Land oder Europa gegen Angreifer verteidigen müssen. Die Weltkriege sind lange her, davon erzählt der Geschichtsunterricht fast wie über die Pharaonen. Wir haben uns an eine Welt gewöhnt, in der geredet wird, verhandelt, in der es Regeln gibt, an die man sich hält, und wenn nicht, gibt es Gerichte und Polizei. Diese demokratische Vorstellung ist uns in Mark und Bein übergegangen. Ein potenzieller Aggressor stellt dieses ganze Projekt infrage. (00/1471/12.05.2024)

AWO kritisiert "Job-Turbo" als "Programm für Lohn-Dumping"

Berlin/Passau (epd). Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) kritisiert das Programm „Job-Turbo“ der Bundesagentur für Arbeit (BA) für geflüchtete Menschen als „Programm für Lohn-Dumping“. Auf diese Weise würden hoch qualifizierte Menschen in fachfremde oder niedrig-qualifizierte Tätigkeiten vermittelt, sagte Jennifer Rotter, Sprecherin der AWO, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern am Sonntag. Der „Job-Turbo“ gebe den Unternehmen die Legitimation, Praktika zu vermitteln, „die weder auf eine qualifizierte Tätigkeit hinzielen noch entsprechend vergütet werden müssen“.

Darüber hinaus sieht die AWO Nachteile bei der Anerkennung der Berufsqualifikation der vermittelten Geflüchteten. In der Praxis seien Menschen vor allem in reglementierten Berufen vor große Hürden gestellt, um die Anerkennung ihrer Berufsqualifikation zu erhalten. Der für die Anerkennung vorgeschriebene Spracherwerb sowie die Vorbereitung auf mögliche Kenntnisprüfungen würden stark verzögert, wenn die Qualifizierung während der Arbeit absolviert werden soll.

Regierung und Opposition beklagten generell, dass die Anerkennungsverfahren zu schleppend verliefen. „Auf Landesebene müssten viel mehr Stellen eingerichtet werden, die sich mit der Anerkennung ausländischer Qualifikationen beschäftigen“, sagte Kai Whittaker, Mitglied im Ausschuss Arbeit und Soziales der CDU/CSU Bundestagsfraktion, der Mediengruppe Bayern. Die Bundesagentur für Arbeit teilte auf Anfrage mit, dass sie „Bemühungen, die eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Verfahren herbeiführen wollen“, begrüße. Dies würde auch zur Folge haben, dass mehr Anerkennungsverfahren durchgeführt werden könnten. (00/1475/12.05.2024)

Neue Leitung der Evangelischen Michaelsbruderschaft eingeführt

Sulz am Neckar/Koblenz/Bad Reichenhall (epd). Die Evangelische Michaelsbruderschaft hat eine neue Leitung. Am Sonntag ist Roger Mielke im württembergischen Kloster Kirchberg als neuer Ältester der Bruderschaft eingesetzt worden. Für die nächsten sieben Jahre übernimmt er damit die Verantwortung für das Leben der Michaelsbruderschaft, teilte diese mit. Mit gut 200 Brüdern im ganzen deutschsprachigen Raum und darüber hinaus gehöre sie zu den größten geistlichen Gemeinschaften in der evangelischen Kirche.

Roger Mielke ist Militärdekan am Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz. Davor war der promovierte Theologe und Sozialwissenschaftler als Oberkirchenrat im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tätig und viele Jahre lang Gemeindepfarrer am Mittelrhein. Er ist 59 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Seit dem Jahr 1991 ist er Mitglied der Michaelsbruderschaft. Als Vikar des Ältesten übernimmt Kirchenrat Florian Herrmann die stellvertretende Leitung der Bruderschaft. Der 43-Jährige ist Pfarrer im südbayerischen Bad Reichenhall.

Mielke übernimmt die Leitungsaufgabe von Helmut Schwerdtfeger, der seit 2019 der Bruderschaft vorstand und das Amt aus gesundheitlichen Gründen abgab. Zugleich mit ihm schied der bisherige Vikar des Ältesten, Pfarrer Christoph Thiele aus dem mittelfränkischen Kalchreuth, aus dem Amt aus. Er wird im Herbst seinerseits Florian Herrmann als Leiter des bayerischen Konvents der Bruderschaft nachfolgen.

Die Evangelische Michaelsbruderschaft besteht seit 1931. Sie habe sich zur Aufgabe gemacht, „an der Kirche mitzubauen und durch einen christlichen Lebensstil zur inneren Erneuerung der Kirche beizutragen“, so die Mitteilung weiter. Die Bruderschaft ist in neun regionalen Konventen organisiert. Daneben gibt es eine Jungbruderschaft St. Michael als Gemeinschaft auf Zeit von Männern und Frauen. (00/1476/12.05.2024)

Gesundheit und Soziales

Mediziner sieht gesetzliche Sterbehilfe-Regelung kritisch

epd-Gespräch: Julia Riese

Fürth (epd). Der Mediziner und langjährige Leiter des Hospizvereins Region Fürth, Roland Hanke, sieht Versuche kritisch, die Sterbehilfe gesetzlich zu regulieren. „Gesetze sind sehr starr. Einen Menschen und seine Individualität durch diese Gesetze abzubilden, ist meines Erachtens nicht möglich“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ärztinnen und Ärzte seien aber dankbar für Rechtsprechungen, die Sterbehilfe erlauben und die Situationen beschreiben, in denen Sterbehilfe möglich und in denen sie verboten sei.

Seit Kurzem wird im Bundestag fraktionsübergreifend wieder an einem Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe gearbeitet. Die Regelung soll auch ein angemessenes Schutzkonzept beinhalten. Diesen Fokus begrüßt Hanke, da dieser bei den vorhergehenden Gesetzesinitiativen nur ein marginales Thema gewesen sei. „Wir erkennen, dass 90 Prozent der Suizidwünsche Appelle sind: An sich möchte ich ja leben, aber nicht unter diesen Bedingungen“, sagte Hanke. In diesem Rahmen seien Gespräche wichtig, „in denen sehr wohl die Lebenssehnsucht von Menschen erkannt werden kann und wo ihnen auch eine Hand gereicht wird, um wieder zurückzufinden ins Leben“.

Bei jungen Menschen sieht Hanke die Suizidprophylaxe mittlerweile gut gelungen, bei älteren Menschen, vor allem Männern über 55 Jahren, müsse aber noch viel mehr getan werden. „Da muss das Schutzkonzept deutlich mehr betont werden als der Weg, sich rechtlich korrekt das Leben zu nehmen.“ Der Arzt plädierte dafür, den angekündigten Suizid als Notfall und als Alarmzeichen für gesellschaftliche Strömungen zu sehen, wie Einsamkeit oder Abhängigkeit im Alter.

Der Hospizverein Fürth zählt 855 Mitglieder und begleitet in Zusammenarbeit mit dem Palliativ-Care Team in der Region insgesamt rund ein Drittel der Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Nach 29 Jahren Einsatz ist Roland Hanke als Leiter des Hospizvereins in den Ruhestand verabschiedet worden. (00/1446/10.05.2024)

"Am Lebensende ist noch ganz viel zu tun"

Langjähriger Leiter des Hospizvereins Fürth über die Versorgungslage

epd-Gespräch: Julia Riese

Fürth (epd). Der Hospizverein Region Fürth zählt 855 Mitglieder und begleitet in Zusammenarbeit mit dem Palliativ-Care Team insgesamt rund ein Drittel der Menschen, die sich auf die letzte Wegstrecke ihres Lebens machen. Nach 29 Jahren Einsatz ist der Leiter des Hospizvereins, Roland Hanke, in den Ruhestand verabschiedet worden. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erzählt er von den wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.

epd: Herr Hanke, 1990 wurde der Hospizverein Fürth gegründet. Wie waren die Situation der Hospizarbeit und die Versorgungslage in den 1990er-Jahren?

Roland Hanke: Der Hospizverein war ursprünglich sehr von Ärzten dominiert gedacht. Die Versorgungslage war sehr medizinisch-wissenschaftlich betont. Auch damals hatten die ambulante und die stationäre Pflege eher wenig Zeit. Diakoniestationen und Caritas-Ordensschwestern kamen mit mehr Zeit in die Haushalte. Das war aber in der normalen Pflege nicht möglich. Der Mensch und seine Nöte und Bedarfe am Lebensende wurden noch nicht wirklich bespielt, bis dann die ersten Ehrenamtlichen kamen und zumindest telefonisch und teilweise auch vor Ort den Menschen erklärten, dass am Lebensende noch ganz viel getan werden könne.

epd: Es hat sich in den folgenden Jahren viel getan. Was waren die wichtigsten Erfolge?

Hanke: Für mich persönlich ist ein Baustein sicherlich die Einrichtung der Hospizapartments in einem Altenheim in Zirndorf gewesen. Dort hatte uns das Altenheim vier Zimmer gewidmet und in diesen Betten konnten wir nach hospizlichen Standards Menschen am Lebensende begleiten. Das lief über zwölf Jahre hinweg hervorragend, aber war auch teuer, denn es gab keine Anerkennung durch die Krankenkassen. Mit den Hospizapartments konnten wir zeigen: Wenn Pflegekräfte gewillt sind, kann man das auch im stationären Bereich sehr gut gestalten. Was wir als Hospizverein geschafft haben, ist aus der Hauptamtlichkeit heraus im Jahre 2009 das Palliativ-Care Team zu begründen. Das war eine damals nach den neuen Rahmenvereinbarungen mögliche medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen am Lebensende. Wir waren damals das dritte Team in Bayern, das sowas überhaupt machte, und das erste, das nach dem neuen Rahmenvertrag die Zulassung erhielt. Mittlerweile versorgen wir mit diesem Team über 21 Prozent aller Sterbenden in unserer Region und noch mal gut über 14 Prozent rein ehrenamtlich begleitete Menschen.

epd: Auch die ehrenamtliche Arbeit hat sich in der Zwischenzeit professionalisiert …

Hanke: Erstens konnten wir sehr viel mehr Ehrenamtliche gewinnen. Diese haben anfänglich eine Ausbildung über zwei Wochenenden gemacht. Jetzt werden sie in einer Ausbildung von über 100 Unterrichtseinheiten inklusive Praktika geschult, auch in Kommunikationstechnik, in rechtlichen Belangen, aber auch von Berührungsqualitäten bis hin zu Aromaöl.

epd: Ist Fürth da auch ein Vorbild für andere Regionen geworden?

Hanke: Ja, immer. Das führt auch dazu, dass aus ganz Bayern gründungswillige Teammitglieder und Vorstände zu uns kamen, in Fürth Praktika machten, sich zeigen ließen, wie das Ganze funktioniert. Wir sind die einzigen und die ersten in ganz Deutschland, die im letzten Jahr die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung in deutsche Gebärdensprache haben übersetzen lassen und das bundesweit ausgerollt haben.

epd: Was hat sich seit dem Beginn Ihrer Arbeit in der Palliativmedizin getan?

Hanke: Die Versorgung ist deutlich professioneller geworden. Es gibt wesentlich mehr und bessere Standards, was zur Versorgung zu gehören hat. Der Mensch ist nicht nur ein körperliches Wesen, er ist auch ein soziales Wesen. Er hat eine Psyche und er hat spirituelle Wurzeln, die gleichwertig nebeneinander gepflegt werden müssen. Seit 2015 gibt es mit dem Hospiz- und Palliativgesetz einen Rechtsanspruch auf diese hochwertige, ganzheitliche Beratung. Sie haben bei schwersten Erkrankungen diesen Anspruch und bekommen es von den Krankenkassen vergütet.

epd: Hat sich auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung etwas verändert?

Hanke: Nicht so stark, wie erhofft. Es fällt Menschen schwer, sich frühzeitig mit diesem Thema zu beschäftigen. Was sich aber in der Gesellschaft getan hat: Sie bereitet sich langsam darauf vor, den sterbenden Menschen gleichberechtigt als selbstverständlich wahrzunehmen. Wir versuchen, auf sehr niederschwellige Art dieses Thema in die Gesellschaft zu tragen. Wir zeigen uns als Hospiz- und Palliativkräfte und haben zum Beispiel auch einen regelmäßigen Talk mit dem Motto „… über das Leben reden“ mit dem Kabarettisten Martin Rassau. Die Menschen müssen letztendlich wissen, an welche Adresse sie sich wenden können, wenn es so weit ist.

epd: Wo muss noch am meisten getan werden?

Hanke: Eine stationäre Hospizversorgung hier in Fürth wäre unendlich wichtig. Es gibt eine Marge innerhalb der Politik und der Krankenkassen, die besagt, dass ein Bett für 60.000 Einwohner in einer Region reicht. Das ist in unserer Region erreicht durch die mehr als 30 Betten in Erlangen und Nürnberg. Dennoch können wir darstellen, dass allein in Fürth acht Betten in einem stationären Hospiz dringend notwendig und auch immer gut belegt wären. Es gibt einfach diese klassische Stammfamilie nicht mehr, wo Menschen bis zum Lebensende im Verbund zwischen Eltern, Kindern und Enkelkindern leben. Stationäre Einrichtungen wie Altenheime sind definitiv mit dieser Aufgabe überfordert.

epd: Sie sind auch immer wieder als Experte zum Thema Sterbehilfe aufgetreten. Seit dem Urteil des Verfassungsgerichts wird um den richtigen Umgang und die Gestaltung gesetzlicher Regelungen gerungen. Sehen Sie, dass es Fortschritte gibt?

Hanke: Gesetze sind sehr starr. Einen Menschen und seine Individualität durch diese Gesetze abzubilden, ist meines Erachtens nicht möglich. Wir Ärzte sind sehr glücklich, dass es hingegen Rechtsprechungen gibt, die die Sterbehilfe erlauben und die Situationen beschreiben, in denen Sterbehilfe möglich ist und in denen sie verboten ist. Wir erkennen, dass 90 Prozent der Suizidwünsche Appelle sind: An sich möchte ich ja leben, aber nicht unter diesen Bedingungen. In diesem Rahmen sind Gespräche wichtig, in denen sehr wohl die Lebenssehnsucht von Menschen erkannt werden kann und wo ihnen auch eine Hand gereicht wird, um wieder zurückzufinden ins Leben. Insofern habe ich Angst davor, dass es in ein strenges gesetzliches Korsett hineingepresst wird.

epd: Vor Kurzem ist bekannt geworden, dass fraktionsübergreifend im Bundestag wieder an einem Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe gearbeitet wird. Die Regelung soll auch ein angemessenes Schutzkonzept beinhalten. Wie sehen Sie diesen neuen Anlauf?

Hanke: Schutzkonzepte waren bei den vorhergehenden Gesetzesinitiativen nur ein marginales Thema. Bei jungen Menschen ist die Suizidprophylaxe mittlerweile gut gelungen, aber bei älteren Menschen muss das noch viel mehr in den Fokus. Männer über 55 machen 75 Prozent aller aktiven Suizide aus. Da muss das Schutzkonzept deutlich mehr betont werden als der Weg, sich rechtlich korrekt das Leben zu nehmen. Ich wünsche mir viel mehr, dass die Gesellschaft den angekündigten Suizid als Notfall sieht, als Alarmzeichen für gesellschaftliche Strömungen. Zum Beispiel Einsamkeit im Altenheim, allein gelassen oder abhängig zu sein von bezahlten Pflegekräften, die sich aufgrund ihrer Arbeitslast gar nicht so engagieren können, wie sie es vielleicht wollen. (00/1449/10.05.2024)

Scharf: Am Muttertag die unbezahlte Care-Arbeit von Frauen würdigen

München (epd). 825 Milliarden Euro ist die unbezahlte Care-Arbeit von Frauen und Müttern in Deutschland jedes Jahr wert. Das entspreche „dem Umsatz der fünf größten Dax-Unternehmen“, sagte die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) in einer Mitteilung vom Freitag. Die Sorgearbeit von Frauen brauche deshalb „mehr Wertschätzung und Sichtbarkeit“. Der Muttertag am Sonntag (12. Mai) könne Aufmerksamkeit und Bewusstsein dafür schaffen, so Scharf.

Obwohl gleichberechtigte Partnerschaft das Ziel vieler Familien sei, leisteten immer noch Frauen - oft zusätzlich zur Erwerbsarbeit - den Großteil der Care-Arbeit. Dazu gehöre Kinderbetreuung, Pflege, Hausarbeit, aber auch Ehrenamt. Frauen und Männer müssten laut Scharf die Möglichkeit haben, „Sorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt zu übernehmen“. (00/1458/10.05.2024)

Wenn Fürsorge krank macht

Ärztin berät Angehörige zum "Internationalen Tag der Pflege"

epd-Gespräch: Susanne Lohse

Bad Wiessee (epd). Fürsorge kann krank machen. Darauf macht die Fachärztin für Gerontologie, Psychiatrie und Psychotherapie an der Klinik Jägerwinkel am Tegernsee, Katharina Grobholz, anlässlich des „Internationalen Tags der Pflege“ am Sonntag (12. Mai) aufmerksam. Die Chefärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie spricht von einem „Burnout“ pflegender Angehöriger.

In Deutschland sind laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden (2023) rund fünf Millionen Menschen pflegebedürftig. Vier von fünf Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt, zumeist von Angehörigen. „Im Vordergrund steht in der Regel ein Erschöpfungssyndrom“, beschreibt Grobholz im epd-Gespräch die Symptomatik, mit der die Patienten in die Klinik kämen.

Schlafstörungen, auch körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Verspannungen oder Anzeichen einer Depression, seien die häufigsten Symptome, sagt die Ärztin. Viele spürten erst in der Auszeit, wie erschöpft sie sind. „Die Menschen können nicht mehr“, betont sie.

Vergleichbar mit einer Überlastung im Beruf gerate der pflegende Angehörige in einen „Burnout“. Die Selbstfürsorge leide, die eigenen Bedürfnisse würden vergessen, der Pflegende gehe über seine Grenzen. „Wer pflegt, übernimmt Verantwortung. Man denkt “ich muss„“, weiß die Expertin.

Hinzu komme eine Ambivalenz, die aus der emotionalen Seite der Angehörigenpflege erwachse. Den Vater, das eigene Kind, die Großeltern zu pflegen bedeutet, in Rollen- und unter Umständen in Beziehungskonflikte zu geraten. Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich die Pflege durch Nahestehende von der Pflege durch professionelle Pflegekräfte.

Professionelle Pfleger haben, sagt Grobholz, einen anstrengenden Beruf, müssen Überstunden machen, mehrere Schichten übernehmen. Sie haben jedoch nicht die inneren Konflikte oder Schuldgefühle, unter denen pflegende Angehörige leiden. Oft wollten die Pflegebedürftigen keine professionelle Hilfe, sondern akzeptierten nur den Angehörigen für die Körperpflege oder das Kochen, berichtet die Fachfrau. (00/1455/10.05.2024)

Der "Burnout" der Pflegenden

Ärztin gibt Tipps zu mehr Selbstfürsorge zum "Tag der Pflege"

epd-Gespräch: Susanne Lohse

Bad Wiessee (epd). Rund fünf Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Vier von fünf Pflegebedürftigen werden laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden (2023) zu Hause versorgt, zumeist von Angehörigen. Anlässlich des „Internationalen Tags der Pflege“ (12. Mai) macht die Chefärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Klinik Jägerwinkel in Bad Wiessee am Tegernsee, Katharina Grobholz, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf die gesundheitlichen Folgen langjähriger Fürsorgearbeit aufmerksam.

epd: Frau Grobholz, wie oft kommen pflegende Angehörige zu Ihnen in die Klinik?

Katharina Grobholz: Wir haben hier eine Patientengemeinschaft, die im Mittel alle sechs Wochen rotiert. Da ist fast immer ein Patient dabei, der mit einer Belastung aufgrund der Pflege von Angehörigen kommt.

epd: Mit welchen Beschwerden kommen diese Patienten?

Katharina Grobholz: Sehr häufig sind Schlafstörungen und ein Erschöpfungssyndrom, oft ist auch eine depressive Symptomatik dabei. Die Menschen können nicht mehr. Viele beklagen auch körperliche Beschwerden, Rückenschmerzen, Verspannungen.

epd: Kommen die Angehörigen aus eigenem Antrieb?

Katharina Grobholz: Meistens ist es so, dass das Umfeld, die Kinder oder nahe Verwandte, sagen, „Du musst einmal etwas für dich tun“. Wenn sie einmal durchschnaufen dürfen, merken die Patienten erst, wie erschöpft sie eigentlich sind.

epd: Ist das dann ein „Burnout“?

Katharina Grobholz: Letztendlich ist es ein Burnout wie bei anderen Tätigkeiten auch, die dazu führen, dass man in eine Überlastung, in eine Überforderung kommt, dass die Selbstfürsorge leidet, man die eigenen Bedürfnisse vergisst und über die eigenen Grenzen geht. Es ist genauso ein Burnout, wie bei einer beruflichen Arbeit. Wer pflegt, übernimmt Verantwortung. Man denkt „ich muss“. Zusätzlich kommt die emotionale Komponente etwa durch Beziehungs- oder Rollenkonflikte hinzu, die das Ganze erschwert.

epd: Es gibt ja auch professionelle Pflegekräfte. Sind diese ebenso überlastet wie pflegende Angehörige?

Katharina Grobholz: Das ist anders. Wir haben Pflegekräftemangel in Deutschland. Menschen, die in der Pflege arbeiten, müssen teilweise in mehreren Schichten einspringen, Überstunden machen. Sie haben einen anstrengenden Job. Aber wenn ich Angehörige pflege, kommt noch diese Ambivalenz dazu, dass es sich um nahestehende Menschen, den Partner, die Mutter handelt. Die Betroffenen leiden häufig unter inneren Konflikten und Schuldgefühlen, wie zum Beispiel der Wunsch, die Mutter eigentlich ins Pflegeheim zu verlegen, die das aber eben nicht will. Oft wollen die Pflegebedürftigen keine professionelle Hilfe, sondern akzeptieren nur den Angehörigen für die Körperpflege. Oder Dienste wie „Essen auf Rädern“ werden abgelehnt und die Angehörigen sehen sich in der Pflicht zu kochen.

epd: Wie helfen Sie den pflegenden Angehörigen? Sie können die häusliche Situation doch nicht ändern.

Katharina Grobholz: Wir schaffen einen sicheren Raum und vermitteln, dass es jetzt um den Pflegenden geht. Die Patienten genießen es sehr, zu merken, es kümmert sich jemand um sie. Wir machen auch klar, dass auch sie noch eine Rolle spielen, dass es auch um ihre Bedürfnisse geht, dass auch sie vom Pflegebedürftigen Kompromissbereitschaft einfordern dürfen. Wir beraten bei der Kommunikation und loten gemeinsam mit den Betroffenen Entlastungsmöglichkeiten für die Tagesabläufe aus.

epd: Die Sorge um einen lieben Menschen scheint dazu zu führen, dass der Pflegende die Selbstfürsorge vergisst. Wie könnte man das ändern?

Katharina Grobholz: Manche Angehörigen haben schon ein gutes Helfernetz aufgebaut. Die Pflege bleibt trotzdem anstrengend. Hier kann eine Auszeit helfen. Anderen hilft es zu wissen, dass sie vielleicht einen höheren Pflegegrad beantragen können oder wie sie nach der Rückkehr aus der Klinik Inseln für sich in den Alltag einbauen können. Das Ziel ist, dass die Patienten auch im Alltag bewusster für sich sorgen, also eine Balance zwischen eigenen und den Bedürfnissen des Pflegebedürftigen zu finden, ohne Schuldgefühle zu haben.

epd: Wenn die „Babyboomer“ ins pflegebedürftige Alter kommen, werden noch mehr Menschen pflegebedürftig sein. Wie sind wir als Gesellschaft darauf vorbereitet?

Katharina Grobholz: Wir haben das Problem, dass der Pflegekräftemangel noch gravierender wird. Die Regierung versucht hier gegenzusteuern. Zudem ist es so, dass die Menschen dank besserer Medizin immer älter werden. Es gibt verschiedene Projekte und Strategien des Bundesgesundheits- und des Familienministeriums, sich auf die zukünftige Bevölkerungsentwicklung vorzubereiten wie etwa die „Nationale Demenzstrategie“. Das geht bei der Prävention los, beinhaltet aber auch die Schaffung passender Wohnformen, zum Beispiel mit Mehrgenerationenhäusern und speziellen Wohnprojekten für Senioren. Zudem wird versucht, Pflegekräfte aus dem Ausland zu mobilisieren. Man ist sich des Problems bewusst. Eine endgültige Lösung gibt es noch nicht. (00/1456/10.05.2024)

Uni Erlangen sucht Studienteilnehmer für App gegen Depressionen

Erlangen (epd). Wie man Gesichtsausdrücke mit guten Gedanken verknüpfen kann, um eine depressive Stimmung zu heben, untersucht ein Forschungsteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Dazu haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Smartphone-Training entwickelt, das Betroffenen helfen soll, ihre Stimmung langfristig zu verbessern, teilte die Universität am Freitag mit. Zum Test des Trainings werden Studienteilnehmer aus Erlangen und Umgebung gesucht.

„Mithilfe unseres Trainings sollen unsere Patienten lernen, sich mit negativen Gedanken auseinanderzusetzen“, erklärte Psychologin Lena Gmelch vom Forschungsteam. Man vergleiche verschiedene Vorgehensweisen, zum Beispiel das Reagieren mit positiver Mimik oder das Umformulieren zu hilfreicheren Gedanken. Dazu würden Bewegungen der Gesichtsmuskulatur, aber auch die Herzaktivität erfasst, emotionale Ausdrücke automatisch erkannt und die Nutzer so ermuntert, diese zum Positiven zu wenden. Ziel sei es, die App künftig zum Beispiel zur Unterstützung einer Psychotherapie einzusetzen.

Um das Training weiter zu verbessern, sucht das Forschungsteam volljährige Probandinnen und Probanden mit, aber auch ohne depressive Verstimmungen. Die Personen sollten über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, derzeit keine psychotischen oder Suchterkrankungen haben und die Gesichtsmuskulatur uneingeschränkt bewegen können. Es werde eine kleine Aufwandsentschädigung gezahlt sowie bei Bedarf Unterstützung bei der Suche nach einem Psychotherapieplatz oder eine Priorisierung auf der Warteliste der Hochschulambulanz angeboten.

Die Studie ist Teil des großen interdisziplinären Forschungsverbunds EmpkinS (Empathokinästhetische Sensorik) an der FAU, dessen Ziel die Entwicklung und Untersuchung von kontaktlosen Methoden zur Erfassung innerer Zustände ist. (00/1459/10.05.2024)

Diakonie Fürth: Erhöhter Beratungsbedarf beim Elterngeld

Fürth (epd). Infolge der Änderungen beim Elterngeld seit dem 1. April sieht die Diakonie Fürth einen erhöhten Beratungsbedarf bei Familien. Es gelten neue Einkommensgrenzen und Neuerungen für Paare, die gleichzeitig Elternzeit nehmen wollen. Damit verbunden seien viele Fragen und Unsicherheiten, teilte die Diakonie am Freitag mit. Die staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen und Sexualberatung berate zu Fragen rund ums Elterngeld.

Seit 1. April können beide Elternteile im ersten Lebensjahr des Kindes im Regelfall nur noch einen Monat gleichzeitig Basiselterngeld beziehen, statt wie bisher zwei Monate parallel. Die auf den ersten Blick scheinbar nur kleine Veränderung habe enorme Auswirkungen auf die Planungen der Paare. „Immer wieder hören wir von der Angst, gerade am Anfang überfordert zu sein, wenn man auf sich allein gestellt ist. Mit der Umgestaltung wird den Paaren die Möglichkeit genommen, die ersten beiden Lebensmonate gemeinsam ins Familienleben zu starten“, sagt Beraterin Doris Wilson.

Insgesamt hätten die Änderungen das ohnehin schon komplexe Thema Elterngeld und Elternzeit noch herausfordernder gemacht. „Selbst junge Menschen, die einen guten Bildungsabschluss haben, kommen an ihre Grenzen und nehmen Beratung dazu in Anspruch.“ In gemeinsamen Gesprächen versuche die Beratungsstelle, mit den Paaren die bestmögliche Variante für ihr jeweiliges Familienmodell herauszuarbeiten.

Diakonische Beratungsstellen stehen in ganz Bayern kostenfrei und unabhängig sowohl Paaren als auch Alleinerziehenden zur Seite. (00/1461/10.05.2024)

Kultur und Erinnerung

Online-Führung für Ahnenforscher durch digitales Kirchbuch-Archiv

München (epd). Ahnenforschung digital: Das Archiv des Erzbistums München und Freising hat alle historischen Kirchenbücher seines Einzugsgebiets digitalisiert. Für Hobby-Familienforscher biete das Archiv am Donnerstag (16. Mai) eine Online-Führung zur Nutzungsweise der Bestände an, teilte das Münchner Bildungswerk am Freitag mit. „In den Tauf-, Trauungs- und Sterbebüchern sind Einzelschicksale genauso erfasst wie Epidemien und Kriege“, hieß es weiter. Die Einträge reichten bis ins 16. Jahrhundert zurück. (00/1454/10.05.2024)

Aktionstag Musik in Bayern startet mit Bläserklassen-Wettbewerb

München (epd). Mit dem Bläserklassen-Wettbewerb des Bayerischen Blasmusikverbands ist am Freitag der Aktionstag Musik 2024 in der Alten Kongresshalle in München eröffnet worden. „Gemeinsam Musik zu machen, stärkt unser Wir-Gefühl und bereichert unseren Erfahrungsschatz enorm“, sagte die bayerische Kultusministerin Anna Stolz, die auch Schirmherrin des Aktionstags ist, laut Pressemitteilung. Mit den Bläserklassen an bayerischen Schulen werde vielen Kindern „ein niedrigschwelliger Zugang zum aktiven Musizieren ermöglicht“, erklärte Peter Winter, Präsident des Blasmusikverbands.

Der elfte „Aktionstag Musik in Bayern“ findet vom 13. Mai bis 26. Juli 2024 statt. Daran beteiligen sich laut Mitteilung 175.000 Schülerinnen und Schüler in ganz Bayern. Veranstalter ist die Bayerische Landeskoordinierungsstelle Musik. Das Motto lautet dieses Jahr: „Hier kommt die Musik!“

Musik verbinde Generationen und ermögliche viele wertvolle Begegnungen, sagte Ministerialdirektor Martin Wunsch, der die Urkunden an die besten Bläserklassen des Wettbewerbs überreichte: „Sie festigt aber auch den Zusammenhalt unter den Schülerinnen und Schülern.“ Das hätten die insgesamt 32 Bläserklassen des Wettbewerbs durch ihre musikalische Darbietung „auf eindrucksvolle Weise gezeigt“, so Wunsch. (00/1462/10.05.2024)

"Jenseits von Schuld" gewinnt Publikumspreis beim DOK.fest München

München (epd). Der Film „Jenseits von Schuld“ der Regisseurinnen Katharina Köster und Katrin Nemec gewinnt den vom Bayerischen Rundfunk (BR) und 3sat verliehenen kinokino Publikumspreis des Internationalen DOK.fest München. Der Film erzählt die Geschichte eines Elternpaars, dessen Sohn ein verurteilter Gewalt-Straftäter ist, teilte der BR am Freitag mit. Die Preisverleihung findet am Samstag im Amerikahaus in München statt.

Der Film beschäftige sich mit zentralen Fragen der Eltern des ehemaligen Krankenpflegers Niels Högel, der zwischen 1999 und 2005 im damaligen Delmenhorster Krankenhaus und im Klinikum Oldenburg gearbeitet und insgesamt 85 Menschen ermordet hat. Katharina Köster und Katrin Nemec gelinge „ein präzises Psychogramm eines Paares, das mutig die Realität konfrontiert“, so die Mitteilung weiter. Es sei eine enorme psychische Belastung für die Eltern von Niels Högel, auch nach so langer Zeit. „Die mediale Präsenz ebbt nicht ab, die jahrelange Berichterstattung wird durch die fiktionale Aufarbeitung der Pflege-Mordserie ihres Sohnes abgelöst. Ein neues Gerichtsverfahren reißt alte Wunden auf.“

Die Redaktion des BR-Filmmagazins „kinokino“ lobt zusammen mit 3sat den Publikumspreis zum zehnten Mal auf dem Internationalen DOK.fest München aus. Er ist mit 2.000 Euro dotiert. Die Zuschauerinnen und Zuschauer konnten online sowie im Kino gesehene Filme bewerten. (00/1467/10.05.2024)

Gewinnerfilm des DOK.fest erzählt von untergetauchten Menschen

München (epd). Jedes Jahr verschwinden in Japan Tausende von Menschen spurlos. Der internationale Gewinnerfilm des DOK.fest München „Johatsu - Into thin Air/Die sich in Luft auflösen“ von Andreas Hartmann und Arata Mori erzählt von diesen „Johatsu“ oder „Verdunsteten“, teilte das Internationale Dokumentarfilmfestival am Samstag mit. Mithilfe sogenannter „Nachtfluchtunternehmen“ lassen diese Menschen ihr Leben aus verschiedenen Gründen hinter sich und fangen an einem anderen Ort neu an.

„Johatsu - Into thin Air/Die sich in Luft auflösen“ sei ein Film, „der uns auf zutiefst einfühlsame und bewegende Weise in diese Welt einführt und uns gleichzeitig mit seiner intimen - aber keineswegs übergriffigen - Kameraführung und der stimmungsvollen Musik auf eine eindringliche filmische Reise mitnimmt“, heißt es in der Jurybegründung. Der Hauptpreis Viktor Main Competition wird vom Bayerischen Rundfunk gestiftet und ist mit 10.000 Euro dotiert.

Sieger im deutschen Wettbewerb wurde der Film „Zwischen uns Gott“ von Rebecca Hirneise, in dem die Regisseurin in ihre zutiefst protestantisch geprägte Familie zurückkehrt und die Glaubensvorstellungen der Familienmitglieder ergründet. „Die Glaubensauslegungen erweisen sich als wenig homogen, Traumata und Erzählungen über Verletzungen und Beschädigungen brechen sich Bahn“, so die Jury. Der Preis ist mit 7.500 Euro dotiert und wird von Sky gestiftet.

Den mit 5.000 Euro dotierten Preis der DOK.horizonte Competition erhält „Kamay“ von Ilyas Yourish und Shahrokh Bikaran. Der Film erzählt die Geschichte einer afghanischen Familie rund um ihre Tochter, die als erste ihrer Familie studiert und Suizid begeht. Den Förderpreis Dokumentarfilm und damit 5.000 Euro erhält „Exile never ends“ der Filmemacherin Bahar Bektaş, deren Bruder in Deutschland in Abschiebehaft sitzt. Der mit 3.000 Euro dotierte Student Award geht an „Hausnummer Null“ von Lilith Kugler für ihre Dokumentation über einen jungen Mann, der auf der Straße lebt. (00/1473/11.05.2024)

Museen bieten Sonderprogramm am Internationalen Museumstag

München (epd). Am 19. Mai findet der Internationale Museumstag zum 47. Mal statt. In ganz Bayern beteiligen sich knapp 240 Museen an diesem Aktionstag. Sowohl vor Ort als auch digital auf der Plattform „#MuseenEntdecken“ bieten sie ein abwechslungsreiches Programm für Kinder und Erwachsene, heißt es auf der offiziellen Webseite.

Im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen können Kinder an einer Rallye zur Sonderausstellung „Sauberkeit zu jeder Zeit - Hygiene auf dem Land“ teilnehmen. Sie erfahren laut Veranstaltungsprogramm, wie früher Hygiene praktiziert wurde. Die Ausstellung „Mensch Wagner“ im Richard Wagner Museum in Bayreuth enthülle den „alltäglichen“ Wagner. Kinder können in einer Spielstation die Epoche aus ihrer Sicht erleben und alte Spiele ausprobieren. Der Eintritt im Richard Wagner Museum ist am 19. Mai frei.

Das Europäische Flakonglasmuseum in Kleintettau ermöglicht Einblicke hinter die Kulissen der Glasproduktion. Dabei stehen aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Arbeiten im Fokus. Auch hier ist der Eintritt am Museumstag frei. Im Rahmen der Ausstellung „Freiheit & Ich“ des Landestormuseums Furth im Wald können Gäste ein Kunstmosaik zum Thema „Meine Sicht auf die Freiheit in Europa“ gestalten. Das Fugger und Welser Erlebnismuseum in Augsburg nimmt Kinder bei freiem Eintritt mit auf eine Reise entlang der frühen globalen Handelsrouten und im Edwin Scharff Museum in Neu-Ulm soll die Mach-Mit-Ausstellung Kinder und Erwachsene dazu anregen, dem Thema Tod mit anderen Augen zu begegnen.

Nürnberg bietet laut einer Mitteilung der Stadt aktuelle Ausstellungen zum Eintrittspreis von einem Euro an. Im Albrecht-Dürer-Haus widmet sich die Sonderausstellung „Dürer under your skin“ internationaler Tattookunst rund um den Altmeister. Das Haus des Spiels thematisiert Geschlechterbilder in analogen und digitalen Spielen. Im Museum für Kommunikation lernen Kinder den sorgsamen Umgang mit wertvollen Museumsobjekten.

Bei einem kostenlosen Rundgang im Olympiapark erinnert das Jüdische Museum in München an das Attentat von 1972. Eine Anmeldung über den Ticketshop ist laut Veranstaltungsprogramm erforderlich. Die laufende Ausstellung „Bildgeschichten Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt“ gewährt Einblicke in die Gesellschaft von damals. Kinder können erkunden, wie das Leben der Menschen in München früher aussah - von Mode bis zu Berufen.

Zum Internationalen Museumstag öffnen rund 1.400 Museen in ganz Deutschland ihre Türen. Der weltweite Aktionstag wird jährlich vom International Council of Museums (ICOM) initiiert. In diesem Jahr hat die Präsidentin des Bundesrates, Manuela Schwesig (SPD), die Schirmherrschaft übernommen, heißt es auf der offiziellen Website. (00/1469/12.05.2024)

Personen

Ehemaliger braunschweigischer Bischof Müller gestorben

Braunschweig/Erlangen (epd). Der ehemalige braunschweigische Landesbischof Gerhard Müller ist am Freitagabend, dem Tag seines 95. Geburtstages, in Erlangen gestorben. Nach längerer Krankheit sei er friedlich eingeschlafen, wie die Landeskirche am Sonnabend unter Berufung auf seine Familie mitteilte. Müller hatte sein Amt nahezu zwölf Jahre lang inne, vom 1. Oktober 1982 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 31. Mai 1994.

Während seiner Zeit im Braunschweiger Land habe der renommierte Kirchengeschichtlicher und Lutherforscher leitende Aufgaben mit seinem wissenschaftlichen Wirken verbunden, hieß es. Müller war unter anderem Herausgeber der Theologischen Realenzyklopädie, die als umfangreichstes theologisches Lexikon im deutschsprachigen Raum gilt.

Bis zu seinem Amtsantritt als Bischof war Müller 15 Jahre lang als Professor für Historische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg tätig. Sein Studium der Evangelischen Theologie hatte er in Marburg, Göttingen und Tübingen absolviert. Später wurde er zum Honorarprofessor an der Universität Göttingen ernannt. Vier Jahre amtierte er als Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. 1990 wurde er leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD).

Bis in die jüngste Zeit hat sich der ehemalige Bischof den Angaben zufolge an gesellschaftlichen und kirchlichen Debatten beteiligt. Angesichts von zunehmenden Kirchenaustritten habe Müller für eine vertiefte Hinwendung zur christlichen Verkündigung plädiert. (00/1474/11.05.2024)

Umwelt

Alpenverein fordert Tempolimit und Ausbau des ÖPNV

München (epd). In einem offenen Brief fordert der Deutsche Alpenverein (DAV) am Freitag von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen von 120 km/h und den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes. „Die Zeit für effektive Klimaschutzmaßnahmen wird immer knapper und die Notwendigkeit zu mutigen Schritten und konstruktiver Zusammenarbeit immer größer“, heißt es in dem Brief von DAV-Präsident Roland Stierle, Vizepräsident Wolfgang Arnoldt sowie den Bundesjugendleitern Annika Quantz und Raoul Taschinski.

Anstoß für die erneute öffentliche Positionierung haben laut Pressemitteilung des DAV die jüngsten Diskussionen über die Akzeptanz eines allgemeinen Tempolimits gegeben. Die Sektionen haben demnach auf der vergangenen Hauptversammlung mit großer Mehrheit für ein selbstverpflichtendes Tempolimit im DAV gestimmt. Bergsportlerinnen und -sportler seien bereit, „unsere Emissionen zu reduzieren, damit Bergerlebnisse in Zukunft überhaupt noch möglich sind“. Die 1,5 Millionen Mitglieder im DAV seien auch ein Hinweis auf die breite gesellschaftliche Akzeptanz eines Tempolimits.

In dem offenen Brief fordert der DAV außerdem einen verstärkten Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes im ländlichen Raum. Bundesjugendleiter Raoul Taschinski sieht besonders im Hinblick auf die Teilhabe von Jugendlichen Handlungsbedarf. Junge Menschen seien auf ein flächendeckendes und bezahlbares öffentliches Verkehrssystem angewiesen, um sich in Vereinen wie dem DAV überhaupt engagieren zu können. „Deshalb müssen junge Menschen bei der Erstellung von Mobilitätskonzepten immer mitgedacht werden.“ (00/1466/10.05.2024)