Anti-Corona-Demos: Bedford-Strohm warnt vor Verhöhnung der NS-Opfer
Knobloch: Keine Verschwörungstheorie ohne Antisemitismus
München (epd). Vertreter aus Kirche, Politik und Erinnerungskultur haben am Donnerstag an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm nahm dabei am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker in den Blick. Ihn mache es zornig, wenn Menschen bei Corona-Diskussionen gegen den Staat demonstrierten und sich dabei mit den verfolgten und millionenfach ermordeten Juden auf eine Stufe stellten, schrieb er auf Facebook. „Das ist eine unerträgliche Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus, der, wo immer sie auftritt, entschieden entgegengetreten werden muss.“
Bedford-Strohm postete ein Bild von sich mit dem Schriftzug #WeRemember, eine Kampagne, die vom Jüdischen Weltkongress initiiert wurde. „Sich an das zu erinnern, was Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus angetan worden ist, wachsam die Versuche wahrzunehmen, die dahinter stehenden menschenverachtenden Ideologien heute wieder salonfähig zu machen und klar dagegen einzustehen, gehört für mich zu den wichtigsten Aufgaben unserer Zeit“, schrieb Bedford-Strohm weiter.
Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag), auf Corona-Demos würden Namen von Juden genannt, „die an allem schuld sein sollen, von George Soros bis zu den Rothschilds“. Man wisse seit langem, „keine Verschwörungstheorie ohne Antisemitismus“, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
In Corona-Leugner-Kreisen könne man inzwischen „weithin ungestraft judenfeindliche Sprüche öffentlich äußern“, bedauerte Knobloch. Bei Protesten würden Judensterne mit einem „Ungeimpft“ öffentlich getragen. „Das alles ist nicht harmlos. Es handelt sich um Hetze der übelsten Art“, sagte Knobloch weiter. Mit Blick auf den Internationalen Holocaust-Gedenktag an diesem Donnerstag (27. Januar) forderte sie, dass die „Vertreter von Kirchen, von Vereinen und Vereinigungen in der Gesellschaft sehr viel klarer Flagge gegen Antisemitismus und Rassismus zeigen“.
Der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU), sagte, dass Wissen das beste Mittel gegen Judenhass sei. „Wer sich intensiv mit der Geschichte der NS-Diktatur und seiner menschenverachtenden Rassenideologie auseinandergesetzt hat, der kann sich dem Kampf gegen Antisemitismus nicht verschließen.“ Dafür braucht es seiner Überzeugung nach pädagogisch und fachlich gut vorbereitete Besuche von Schulklassen in KZ-Gedenkstätten oder NS-Dokumentationszentren sowie Gespräche mit Zeitzeugen.
Genauso sieht das der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), mit seinen rund 60.000 Mitgliedern der größte Bildungsverband im Freistaat. Die Erinnerung an die NS-Opfer bleibe wichtiger Teil des Bildungsauftrags an Schulen. „Dies ist angesichts der zunehmenden Verbreitung rechtsradikalen Gedankengutes im Windschatten der Pandemie wichtiger denn je“, sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. „Wir erleben, wie Menschenrechte und humanistische Wertorientierungen heute zunehmend in Bedrängnis geraten.“ Menschen, die hierfür eintreten, würden bedroht und eingeschüchtert. „Das bedeutet für uns Pädagogen Alarmstufe Rot.“
Bereits am Mittwoch hatte der Bayerische Landtag mit einem Gedenkakt im ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg vor allem an die Ermordung von Homosexuellen durch die Nationalsozialisten erinnert. Dabei wurde auch eine Steinstele eingeweiht, die im sogenannten Tal des Todes an die homosexuellen Häftlinge in Flossenbürg erinnern soll. Der Internationale Holocaust-Gedenktag wird am 27. Januar begangen, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch die Alliierten. (00/0325/27.01.2022)