Kirche und Politik

Blume: Anti-Baerbock-Kampagne schürt antisemitische Vorurteile

Frankfurt (epd). Eine Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gegen die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock stößt bei Vertretern des Judentums auf Unverständnis. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, kritisierte die Kampagne: „Gewiss, Wahlkampf ist Wahlkampf. Aber die INSM wäre gut beraten, das Thema Religion, von dem sie offensichtlich nichts versteht, anderen zu überlassen. Hier hat sie sich völlig im Ton vergriffen und sollte sichergehen, dass sie nicht mit solchen Darstellungen Vorurteile schürt“, schrieb Knobloch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Initiative, die nach eigenen Angaben durch die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie finanziert wird, hatte in den Freitagsausgaben überregionaler Tageszeitungen eine große Anzeige geschaltet, in der Baerbock als Mosesfigur mit zwei Steintafeln dargestellt wird, auf denen zehn Gebote stehen. Überschrieben ist die Anzeige, die unter anderem in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschien, mit dem Slogan „Wir brauchen keine Staatsreligion“.

Nach Auffassung des Antisemitismus-Experten Michael Blume schürt die Kampagne antisemitische Vorurteile. „Schon letztes Jahr wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel in Stuttgart mit dem Verschwörungsvorwurf konfrontiert, sie sei heimlich Jüdin. Über die Gleichsetzung einer Kanzlerkandidatin mit einer orientalischen Moses-Gestalt, die angeblich bedrückende Verbote und eine Staatsreligion erlassen wolle, kann ich da überhaupt nicht lachen“, sagte der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Blume sagte: „Mich haben inzwischen auch schon Jüdinnen und Juden besorgt gefragt, ob solche Gleichsetzungen mit den Zentralpersonen anderer Religionen als dem Judentum denkbar wären. Sind sie nicht.“ Die Initiative hätte jemanden mit Ahnung von Religionen und Verschwörungsmythen konsultieren müssen, so Blume.

Die Initiative wies die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher verwies auf Anfrage des epd auf eine Einschätzung des deutsch-israelischen Schriftstellers Rafael Seligmann. Ob die Anzeige klug, passend oder politisch korrekt sei, wolle er nicht beurteilen, sagte Seligmann laut Mitteilung der Initiative. „Ich will allerdings festhalten: 'antisemitisch' ist das Inserat keineswegs.“

Mose ist eine der wichtigsten Figuren der jüdischen Religion. Die fünf Bücher Mose erzählen die Geschichte des jüdischen Volkes und bilden die Tora. Sie sind der zentrale Bestandteil der jüdischen Bibel. Die Zehn Gebote sind das erste umfassend formulierte Sittengesetz in der Geschichte der Menschheit, das sich auf eine als ewig gesetzte Norm gründet. Nach biblischer Überlieferung nimmt Mose sie am Berg Sinai direkt von Gott entgegen. (2038/11.06.2021)

Bischof Bedford-Strohm nimmt Pandemie-Kosten in den Blick

Mistelgau, Bayreuth (epd). Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ruft zu mehr Einsatz für die Armen und Schwachen in der Corona-Pandemie auf. Denn nun müsse verstärkt darüber nachgedacht werden, „wie die Kosten der Pandemie eigentlich bezahlt werden können und wie die extrem unterschiedlich verteilten Lasten ein Stück weit ausgeglichen werden können“, sagte Bedford-Strohm am Sonntag im Festgottesdienst zu 600 Jahre Bartholomäuskirche in Mistelgau bei Bayreuth laut Redemanuskript.

Für die Hochvermögenden sei das Pandemiejahr das finanziell erfolgreichste in der Menschheitsgeschichte gewesen, sagte Bedford-Strohm, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, weiter. Die Zahl der Milliardäre in Deutschland sei um 29 auf 136 Personen gestiegen. Und gleichzeitig seien mehr als 100 Millionen Menschen weltweit durch die Pandemie in absolute Armut gefallen und müssten von weniger als 1,80 Dollar pro Tag leben, zitierte der Bischof Schätzungen der Weltbank.

Nach 15 Monaten der Pandemie und einer „kommunikativen Durststrecke“ sehne er sich außerdem wieder nach physischen Treffen, wo man sich direkt in die Augen schauen und miteinander reden könne - „vielleicht ja bald auch ohne Maske“. Bedford-Strohm erhoffe sich auch neue Aufbrüche. „Wir haben so viel zu verarbeiten und das geht am besten mit anderen zusammen.“

Zugleich rief er die Menschen dazu auf, innezuhalten. Es seien regelrechte „Parallelwelten der Kommunikation entstanden, wenn es um die Deutung der Pandemie oder die Position zum Impfen geht“. Verschwörungstheorien seien nur die Spitze des Eisbergs. Es werde sehr schnell emotional - dabei helfe, innezuhalten und zu überlegen, ob man selbst breit genug informiert sei oder warum jemand so großes Misstrauen gegenüber Staat und Wissenschaft haben könnte. (01/2048/13.06.2021)

EKD-Präses Heinrich hat in der Jugendarbeit Verantwortung gelernt

Hannover, München (epd). Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, hat in der Kinder- und Jugendarbeit gelernt, Verantwortung zu übernehme. „In der Kinder- und Jugendarbeit wurde uns von Pädagoginnen und Pädagogen wahnsinnig viel zugetraut“, sagte die 25-jährige bayerische Philosophie-Studentin dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstag). „Ich habe nie den Satz gehört: 'Oh, da müssen wir jetzt aber vorsichtig sein, das ist zu viel'. Es hieß immer: 'Probier es, und wenn es nicht klappt, sind wir ja noch da'.“

Die Mischung aus „go for it“ und Absicherung habe dazu beigetragen, Lust auf neue Aufgaben und Verantwortung zu empfinden, blickte Heinrich zurück. Mit Blick auf die Klimaschutz-Bewegung „Fridays for Future“ sagte sie, es sei „superwichtig, dass junge Leute für ihre Interessen einstehen und sie auch auf der Straße oder digital oder auf welchen Wegen auch immer durchsetzen wollen“. Da schlage ihr Jugendverbandsherz heftig.

Die gebürtige Oberpfälzerin war im Mai an die Spitze des Parlamentes der EKD gewählt worden. Sie ist die jüngste Präses in der Geschichte und hat damit auch einen festen Platz im Rat der EKD. Als Mitglied der bayerischen Landessynode, als stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend und als Jugenddelegierte in der vorhergehenden Synode sammelte sie bereits Erfahrung mit evangelischen Gremien. (00/2043/12.06.2021)

Kirchenrechtler: Papst-Brief an Marx schwierig zu deuten

Münster, München (epd). Die päpstliche Ablehnung des Rücktrittsgesuchs des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx verursacht laut dem Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller neue Schwierigkeiten im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. Für die Betroffenen sei das „ein Schlag ins Gesicht“, sagte Schüller am Freitag. „Sie erkennen, dass sich das System gegen Verantwortung immunisiert.“

Zugleich verweise das „ungemein schwierig“ zu deutende Schreiben von Papst Franziskus darauf hin, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche Marx weiter in die Pflicht nehmen wolle, betonte Schüller, der Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Universität Münster ist. Der Papst habe Marx auch klar gemacht, dass er dessen Verantwortung nicht im Verzicht auf sein Amt sehe.

Offenbar erwarte Franziskus, dass Marx die Reformen der katholischen Kirche in Deutschland voranbringe. Zudem sei der Erzbischof und Kardinal für den Papst offensichtlich unverzichtbar. Marx sei von seiner kirchenpolitischen Bedeutung her ein Schwergewicht, erklärte er.

Schüller sieht den Erzbischof nun in einer schwierigen Situation. Marx habe während seiner Zeit in Trier „schwere Fehler“ im Zusammenhang mit der Aufklärung von Missbrauchstaten begangen. Er war von 2002 bis 2008 Bischof in Deutschlands ältestem Bistum Trier. In München untersuchten Juristen zuletzt in Marx' eigenem Auftrag mögliches Fehlverhalten von kirchlichen Amtsträgern im Umgang mit Missbrauchsfällen. Die Veröffentlichung eines Gutachtens wird in den nächsten Monaten erwartet. Je nach Ergebnis schließt Schüller daher nicht aus, dass der Erzbischof erneut seinen Rücktritt einreicht.

Papst Franziskus hatte den Rücktritt des Erzbischofs von München und Freising am Donnerstag in einem persönlichen Brief abgelehnt, den der Vatikan veröffentlichte. Marx hatte vor einer Woche sein Rücktrittsgesuch veröffentlicht, das er bereits am 21. Mai an den Papst geschickt hatte. Er wolle eine Mitverantwortung für das „institutionelle Versagen“ der Kirche im Umgang mit dem Missbrauchsskandal übernehmen, hatte er erklärt. (00/2040/11.06.2021)

"Manches an Gehabe und an Selbstbewusstsein ist vielleicht vorüber"

Kardinal Marx im Sonntagsgottesdienst über sein Rücktrittsgesuch

München (epd). Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat am Sonntag im Münchner Liebfrauendom weitere Hintergründe über sein inzwischen abgelehntes Rücktrittsgesuch bekanntgemacht - und neue Wege für die Zukunft aufgezeigt. „Manches an Gehabe und an Selbstbewusstsein, das auf die Institution und auf die Macht und auf den Einfluss ausgerichtet ist, den wir hätten oder haben wollen - all das ist vielleicht doch vorüber“, sagte er am Sonntag im Münchner Liebfrauendom laut Mitteilung.

Marx ging damit näher auf seine Äußerung ein, die Kirche sei an einem gewissen „toten Punkt“ angekommen. „Das ist keine Kritik, sondern einfach nur ein Aufruf, ein Weckruf“, erläuterte Marx seine Beweggründe am Sonntag. Die Formulierung vom „toten Punkt“ hatte Marx in seinem Brief vom 21. Mai, in dem er Papst Franziskus seinen Rücktritt als Erzbischof von München und Freising angeboten hatte, verwendet.

Er habe dabei den Jesuitenpater Alfred Delp zitiert, der in einem Text von 1944 vom „toten Punkt“ geschrieben hatte, erläuterte Marx weiter. Delp habe die Formulierung vom „toten Punkt“ gewählt, „weil er meint, dass die Kirchen angesichts der Zeitstunde, in die sie hineingestellt sind - das war damals der Nationalsozialismus -, doch zu sehr an ihr eigenes Überleben geklammert waren, an ihre Institution, an den Betrieb, den sie nicht beschädigen wollten“.

Er freue sich darüber, dass in der Kirche so viele „engagierte Brüder und Schwestern“ tätig seien, sagte Marx in seiner Predigt weiter. Jedes Engagement werde kostbar bleiben in alle Ewigkeit - „und doch fragen wir uns: Ist nicht manches an der Sozialgestalt der Kirche vorüber?“ Damit meine er aber nicht das Evangelium, nicht den Einsatz für die Kranken, nicht den Einsatz für den Nächsten und auch nicht die Feier der Eucharistie, stellte Marx klar.

Es brauche statt neuer Strukturen und Reformdiskussionen nun „eine Hinwendung zu den Menschen selbst“. Er bekomme aktuell viele Briefe, „auch voller Not, voller Sehnsucht nach einer Kirche, nach einer Gemeinschaft, die aufhilft, die heilt, die Wunden ernstnimmt und nicht rechthaberisch darüber hinweggeht“, berichtete Marx.

Außerdem müsse die Ökumene gestärkt werden, bei der es darum gehe, dass die Kirchen „in einem größeren Miteinander das Christentum, das Evangelium in diesem Land weitersagen, mit all den Unterschiedlichkeiten, die bleiben, aber in großer Gemeinschaft“.

Marx hatte Papst Franziskus am 21. Mai seinen Rücktritt als Erzbischof von München und Freising, der er seit 2008 ist, angeboten und dies am 4. Juni öffentlich gemacht. Mit diesem Schritt wollte der 67-jährige nach eigenem Bekunden Mitverantwortung übernehmen „für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten“.

Am Donnerstag hatte der Vatikan mitgeteilt, dass Papst Franziskus das Rücktrittsangebot von Marx abgelehnt hat - ein selbst für Kardinal Marx unerwarteter Schritt. Er habe „nicht damit gerechnet“, dass der Papst so schnell reagieren würde, und auch den Inhalt der Entscheidung habe er „so nicht erwartet“, teilte er mit. Im Gehorsam akzeptiere er aber die Entscheidung, könne aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Stattdessen werde er in den kommenden Wochen darüber nachdenken, wie er noch mehr zur Erneuerung der Kirche beitragen könne. (00/2050/13.06.2021)

Augsburger Diakonissenanstalt führt neue Oberin ein

Augsburg (epd). Die 51-jährige Diakonin Ulrike Kühn wird am Samstag (12. Juni) in ihr neues Amt als Oberin der Augsburger Diakonissenanstalt eingeführt. Die Einführung finde in kleinem Kreis statt, teilte der Rektor der Diakonissenanstalt, Jens Colditz, mit. Ursprünglich sollte Kühn bereits im Herbst eingeführt werden. Die Feier war aber wegen der Corona-Pandemie verschoben worden.

Die gebürtige Ulmerin hat bei der Rummelsberger Diakonie eine Ausbildung zur Diakonin und Erzieherin absolviert. Sie war Gemeinde- und Jugenddiakonin in Freising, Coburg und Pfuhl bei Ulm. Im evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk Neu-Ulm arbeitete Kühn als Religionslehrerin, bevor sie 2018 die theologisch-pädagogische Leitung des Evangelischen Bildungswerks übernahm.

Die Oberin gehört dem dreiköpfigen Vorstand der Augsburger Diakonissenanstalt an. Das evangelische Sozialwerk hat rund 700 Mitarbeiter. Zu der 1855 gegründeten Einrichtung gehören eine Stadtklink, ein Ärztehaus, ein Senioren- und Pflegeheim, die Kranken- und Altenpflegeschule, die Fachakademie für Sozialpädagogik sowie ein Hotel mit Tagungszentrum und Restaurant. (00/2039/11.06.2021)

Taufgottesdienst an der Donau

Straubing (epd). Für Eltern, die ihre Kinder auf besondere Weise taufen lassen wollen, ist er seit Jahren ein Geheimtipp: An diesem Sonntag (13. Juni, 11 Uhr) ist es wieder soweit: Der Straubinger evangelische Pfarrer Hasso von Winning tauft Kinder und Erwachsene bei einem Freiluft-Gottesdienst an der Donau. Die Täuflinge würden dabei kurz ins Flusswasser getaucht, teilte das Pfarramt am Freitag mit.

Der Gottesdienst, der zum 13. Mal veranstaltet wird, erfreut sich großer Beliebtheit. Trotz der Corona-Beschränkungen könne er wie gewohnt stattfinden. Bis zu 100 Teilnehmer könnten unter Einhaltung der Hygienebestimmungen unter freiem Himmel teilnehmen. Für Pfarrer Hasso von Winning ist es der letzte Taufgottesdienst dieser Art, er geht Ende Juni in den Ruhestand. (00/2027/11.06.2021)

Landessynode aktuell

Synodalpräsidentin: Corona hat kirchliche Reformprozesse beschleunigt

epd-Gespräch: Roland Gertz und Achim Schmid

München (epd). Die Corona-Krise hat nach Überzeugung der bayerischen Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel die Reformprozesse in der Kirche vorangebracht und zu mehr Solidarität geführt. Die durch Corona notwendige gewordene Beschleunigung von Entscheidungen habe „neue Pionierqualitäten“ in der Kirche zutage treten lassen, sagte die Präsidentin des Kirchenparlaments der 2,3 Millionen bayerischen Protestanten im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

So habe der umfassende Reformprozess „Profil und Konzentration“ (PuK), mit dem sich die bayerische Landeskirche auf allen Ebenen neu aufstellen will, deutlich an Fahrt aufgenommen, sagte Preidel. Die Entwicklung von digitalen Formaten in der Kirche sei beschleunigt worden. Vizepräsident Walter Schnell ergänzte, es habe ausgelöst durch die Pandemie eine Fülle von neuen Angeboten vor Ort gegeben: von den Kirchengemeinden, einzelnen Pfarrern, in der Jugendarbeit, in Seelsorge und Diakonie.

Allerdings sei die Kirche keine Firma, die „problemlos auf Homeoffice und digitalen Betrieb umstellen kann“, gab der theologische Vizepräsident Hans Stiegler zu bedenken. Denn in der Kirche gehe es im ganzheitlichen Sinne um gemeinsames Gebet und gemeinsame Lehre. Deshalb sei es bei jedem Live-Gottesdienst nach den Corona-Einschränkungen „zu Glücksmomenten durch die Gemeinschaft“ gekommen.

Das durch Corona ausgelöste Krisenmanagement hat nach Einschätzung von Synodalpräsidentin Preidel auch in der Kirche eine große Solidarität ausgelöst. In den Kirchengemeinden hätten sich die Menschen gegenseitig geholfen, beim Einkaufen, durch spontane Telefongespräche oder durch Unterstützung bei Technikproblemen. Durch die Zusammenarbeit von Initiativen mit Kirchengemeinden hätten sich im Sozialraum neue Netzwerke gebildet. Deutlich sei auch geworden, dass vielen Menschen Alternativformate für gemeinschaftliche Feiern wichtiger gewesen seien als „Querulantentum“, sagte Preidel. (00/2028/11.06.2021)

Der Pfarrer wird vom "zentralen Herrscher" zum Moderator

epd-Gespräch: Von Roland Gertz und Achim Schmid

München (epd). Die Rolle der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in den Kirchengemeinden wird sich grundlegend ändern. Durch die sinkende Zahl des theologischen Nachwuchses und die neue Landesstellenplanung werde es zu einem neuen Selbstverständnis der Pfarrer vor Ort kommen, sagte die bayerische Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Theologen würden zunehmend zu „Ermöglichern und Moderatoren“, die sich in dem großen Netzwerk Kirche Menschen für spezifische Aufgaben suchen. Auch das Verhältnis von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in der Kirche werde sich ändern, berufsübergreifende Teams würden immer mehr Bedeutung kommen.

Wie der synodale Vizepräsident Hans Stiegler sagte, muss durch die Landesstellenplanung wieder deutlich werden, dass die „Kirche als Gemeinde Christi von den Gaben lebt, die von Gott geschenkt werden“. Deshalb sei es die Aufgabe der Pfarrer, Räume zu öffnen, in denen diese Gaben sich ausleben und wachsen können. Dadurch sei der Pfarrer dann zwangsläufig nicht mehr ein „zentraler Herrscher“, sondern eine „Art Trainer für die Mannschaft der Christen“, sagte Stiegler, der viele Jahr Dekan in Ansbach war.

Die umfassende Landesstellenplanung regelt die Verteilung der evangelischen Theologenstellen in Bayern. Dabei haben zum ersten Mal die Dekanate als mittlere kirchliche Führungsebene eine große Gestaltungsmöglichkeit bei dem Zuschnitt der Stellen. Außerdem soll die Zusammenarbeit der verschiedenen kirchlichen Berufsgruppen intensiviert werden. (00/2029/11.06.2021)

Corona hat in der Kirche Pionierqualitäten freigesetzt

Synodalpräsidium zieht ein Resümee und beschreibt den Reformprozess

epd-Gespräch: Roland Gertz und Achim Schmid

München (epd). Trotz geschlossener Kirchentüren und eingeschränkter Seelsorge zieht das Präsidium der bayerischen evangelischen Landessynode ein positives Resümee der Corona-Krise. Denn die bereits angelaufenen Reformprozesse sind beschleunigt worden, die Einschränkungen haben zu Aufbrüchen, neuen digitalen Angeboten und neuer Solidarität in den Gemeinden geführt, wie Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel und die Vizepräsidenten Walter Schnell und Hans Stiegler in einem Redaktionsgespräch im Evangelischen Presseverband für Bayern (EPV) erläuterten. Es wird sich aber auch viel ändern - wie etwa die Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer.

epd: Wenn Sie vom Präsidiumstisch in die Synode schauen, sehen Sie auch die neue Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, die als bayerische Synodale in dieses Spitzenamt gewählt wurde. Wird sich dadurch die Sitzordnung in der Landessynode ändern?

Preidel: Bei der Sitzordnung wird alles beim Alten bleiben. Natürlich freuen wir uns, die Vorsitzende der EKD-Synode in unseren Reihen zu haben. Weil auch noch weitere bayerische Synodale in wichtige Funktionen in die Synoden der EKD wie auch der Generalssynode der VELKD gewählt wurden, haben wir nun das Ohr nah am Puls der EKD und die Vernetzung der verschiedenen Synoden wird noch besser. Das war unser strategisches Ziel, und darauf haben wir uns gut vorbereitet. Schade nur, dass wir wegen Corona der neuen Präses noch nicht persönlich gratulieren konnten, das werden wir aber sobald wie möglich nachholen.

epd: Wie ist die bayerische Landessynode durch die Corona-Zeit gekommen?

Schnell: Wir mussten erfahren, dass nichts mehr so war wie vorher. Dabei haben wir einerseits die neuen digitalen Möglichkeiten schätzen gelernt, wie flotte Videokonferenzen zwischendurch ohne großen organisatorischen Aufwand. Zu kurz kamen allerdings die persönlichen Gespräche, die emotionale Komponente einer Synodaltagung.

Preidel: Wir waren durch die digitalen Formate immer arbeitsfähig. Das hat sehr gut funktioniert. Allerdings war es mitunter schwierig, während der Synodaltagung die Geschäftsordnung einzuhalten. Denn in den Chats konnte sich jeder und jede jederzeit äußern. Die Geschäftsordnung sieht hingegen nur eine Wortmeldung für jedes Mitglied der Synode zu einem Thema vor, was eine konzentrierte Diskussion ermöglicht. Im Digitalen entwickelt sich eine eigene Dynamik, was dazu führt, dass Diskussionen aus dem Ruder laufen können. Gefehlt haben uns auch sehr die Seitengespräche in Präsenz am Rande der Synode, bei denen sich durch die Begegnung von Menschen im Dialog kreative Ideen entwickeln.

Stiegler: Die Kirche ist keine Firma, die problemlos auf Homeoffice und digitalen Betrieb umstellen kann. Sondern in der Kirche geht es im ganzheitlichen Sinne um gemeinsames Gebet, um gemeinsame Lehre. Unser Inhalt, das Evangelium Jesu Christi, hat immer eine ganzheitliche Dimension. Das merkt man nach den Corona-Einschränkungen überdeutlich bei jedem Live-Gottesdienst, den mehrere Menschen zusammen feiern, wie es da buchstäblich zu Glücksmomenten durch die Gemeinschaft kommt.

epd: Welche Auswirkungen hatte Corona auf die Kirche, insbesondere die laufenden Reformprozesse?

Preidel: Wir erleben zurzeit das „Semper reformanda“, das wir 2017 groß gefeiert und mit den Coburger Beschlüssen auch durch strategische Zukunftsentscheidungen unterfüttert haben, in besonderer Weise. Kirche ist immer in Veränderung. Corona hat zusätzlich wie ein großer Katalysator gewirkt. Die durch Corona notwendig gewordene Beschleunigung bei Entscheidungen ließ neue Pionierqualitäten in der Kirche zutage treten, die vorher ausgebremst schienen. Der umfassende Reformprozess „Profil und Konzentration“ (PuK) war zwar bereits gut auf die Schiene gesetzt, hat jetzt aber deutlich an Fahrt aufgenommen, die Entwicklung von digitalen Formaten in der Kirche wurde beschleunigt. Hätte es die Krise nicht gegeben, wären wir nicht an dem Punkt, an dem wir momentan sind. Als große Aufgabe steht jetzt an, das bisherige starre, an den Ortskirchen hängende Prinzip mit der neuen Lebendigkeit digitaler Gemeinden, die sich häufig als Gemeinden auf Zeit bilden, zusammenzubringen.

Schnell: Unsere Kirche habe ich noch nie so aktiv und innovativ erlebt wie in den Zeiten der Pandemie. Es gab eine Fülle von - auch neuen - Angeboten vor Ort, von den Kirchengemeinden, einzelnen Pfarrern, in der Jugendarbeit, in Seelsorge und Diakonie. Auch der Landesbischof hat sich oft eingeschaltet. Allerdings höre ich von Menschen, die etwas kirchenferner sind, den Vorwurf, sie hören zu wenig von der Kirche, ihre Kirche nehme sie nicht wahr. Diese Anfrage möchte ich auch an die Medien weitergeben. Denn es gibt in den Gemeinden Tausende von interessanten Ehrenamtlichen, die durchaus einer Berichterstattung wert wären.

Stiegler: Den Befund, dass Kirche in der überregionalen Medienlandschaft zu wenig auftaucht, teile ich. Im lokalen Bereich war die Kirche hingegen in den letzten Monaten so gefragt wie nie, weil es da um konkrete Vorgänge ging. Wir haben aber erlebt, dass in der bedrängenden Corona-Situation wieder mehr Menschen auf uns zugekommen sind. Ihnen müssen wir eine überzeugende Antwort geben, was der christliche Glaube in diesen Zeiten für sie bedeutet, dass sie eben nicht auf sich allein geworfen sind, sondern Christus in allen Tiefen mit ihnen geht. Das lässt sich in den bewusst fromm formulierten Satz fassen: Mein Leben gehört keiner Krankheit, sondern gehört letztlich Gott.

epd: Die Gräben in der Gesellschaft sind beispielsweise durch Corona-Leugner oder Impfgegner tiefer geworden. Was kann die Kirche dagegen tun?

Schnell: In den Medien nehme ich die Demonstrationen, Auseinandersetzungen, Gewalt und Beschimpfungen wahr. In meinem direkten Umfeld erlebe ich aber das Gegenteil, nämlich Menschen, die hilfsbereit, solidarisch und sozial sind und alle gemeinsam auf das große Ziel hinarbeiten, die Pandemie zu überwinden. Dazu leistet auch die Kirche mit ihren seelsorgerlichen Angeboten einen großen Beitrag.

Preidel: Das Krisenmanagement hat nach meiner Beobachtung in Gesellschaft und Kirche zu großer Eigeninitiative und Solidarität geführt, und diese Dynamik erinnert mich in gewisser Weise an die Aufnahme der Flüchtlinge 2015. Auch in den Kirchengemeinden helfen sich die Menschen gegenseitig, zum Beispiel beim Einkaufen, durch Kontaktaufnahme durch spontane Telefongespräche, Unterstützung bei digitalen Technikproblemen. Hier haben sich ad hoc viele Initiativen im Sozialraum in Zusammenarbeit mit unseren Kirchengemeinden entwickelt, die zu neuen Netzwerken geführt haben. Vielen Menschen sind Alternativformate für gemeinschaftliche Feiern wichtiger als Querulantentum. Nicht hilfreich finde ich den medialen Hype um kleine Gruppen, die sich plakativ destruktiv äußern.

Stiegler: Ein wichtiger Beitrag der Kirche ist, bewusst in Problemzonen zu gehen. Als Pfarrer habe ich es mir von niemandem verbieten lassen, wenn der Anruf kam, in eine Palliativstation zu gehen und sterbenden Menschen beizustehen. Die seelsorgerliche Betreuung des Altenheims, für das ich zuständig bin, lief auch während Corona - in persönlicher Zuwendung, natürlich aber auch mit den nötigen Schutzmaßnahmen.

Unterschiedliche Meinungen gab es schon immer, sie sind jedoch durch die Pandemie verschärft worden. Selbst aus kleinen Dörfern ist die Sorge zu hören, dass es keine Gespräche in der Nachbarschaft mehr gibt. Deshalb ist es die Aufgabe als Christen, Räume zu öffnen, in denen alle wieder in Kontakt und Kommunikation kommen. Dabei müssen nicht alle einer Meinung sein, wir müssen aber als Kirche an einigen Stellen klar Position beziehen, dass es No-Gos gibt, zu denen wir stehen.

epd: Was sind diese roten Linien?

Stiegler: Wenn die eigene Meinung als einzige Wahrheit auf dieser Welt gesetzt wird, wenn Menschen pauschal ihre Würde abgesprochen wird, wenn sie außerhalb jeglicher Norm gestellt werden.

epd: Die Landessynode ist der kirchliche Haushaltsouverän. Corona hat zu einem Defizit geführt, die Einnahmen gehen zurück. Nach welchen inhaltlichen Kriterien soll eingespart werden?

Schnell: Diese Frage geht in erster Linie an den Landeskirchenrat, weil er für die Aufstellung des Haushalts zuständig ist. Jede Abteilung muss dafür Vorrangigkeiten und Nachrangigkeiten definieren, also auf welche Arbeitsfelder in Zukunft verzichtet werden soll. Denn es muss vollkommen klar sein, dass der Rasenmäher die allerschlechteste Methode ist, weil er gleichermaßen alles kürzt.

Stiegler: Von den Oberkirchenräten als den Abteilungsleitern erwarte ich, dass sie nicht mehr in ihrer Abteilungs-Säule denken, sondern in der Planung viel stärker zusammenarbeiten, auf gemeinsame Aufgaben schauen und Synergieeffekte über Abteilungsgrenzen nutzen. Ein sehr positives Beispiel für neue Zusammenarbeit ist die Verwaltungsreform, bei der die bisherigen, aufgesplitterten 35 Verwaltungseinrichtungen zu zehn Verbünden zusammengefasst wurden. Das entlastet die Pfarrer von organisatorischen Verpflichtungen, wie zum Beispiel Bauangelegenheiten, und gibt ihnen mehr Raum für ihre Kernaufgabe der Seelsorge, der Arbeit in und für ihre Gemeinde.

Preidel: Entscheidend ist die Frage nach den Rahmenbedingungen und eine Definition der Prioritäten und vor allem der Posterioritäten. Und die Auswirkungen der Pandemie auf den PuK-Prozess müssen überprüft werden. Das wird die Hauptaufgabe der nächsten Monate sein. Dazu ist aber eine enge Abstimmung der kirchenleitenden Organe über die Rahmenbedingungen nötig, was pandemiebedingt noch nicht möglich war, aber jetzt bald nachgeholt wird. Die gemeinsamen Sitzungen von Landessynodalausschuss (LSA) und Landeskirchenrat (LKR) konnten noch nicht stattfinden. Ebenso musste die gemeinsame Sitzung aller kirchenleitenden Organe auf 2022 verschoben werden. Die inhaltlichen Vorgaben liefert weiterhin der Reformprozess PuK.

Weil wir im ordentlichen Haushalt nicht mehr alles finanzieren können, müssen wir Kreativität neu entwickeln. Denn ein engerer Finanzrahmen soll ja gerade nicht heißen, dass wir wichtige Arbeitsfelder fallenlassen. Von den Gemeinden und Dekanaten können wir lernen, welche Möglichkeiten ein überzeugendes Fundraising bietet. Wir brauchen also neue Ideen und vor allem neue Vernetzungen in den Sozialraum. Wenig hilfreich ist, wenn Überlegungen im Sensationsmodus medial negativ aufgegriffen werden, während wir noch nach tragfähigen Lösungen für die Zukunft suchen.

epd: Sollte durch diese Finanzzwänge das Großprojekt Evangelischer Campus Nürnberg nochmals auf den Prüfstand?

Preidel: Auf keinen Fall. Denn dieser Bildungs-Campus ist ein Zukunftsprojekt und genau das, was wir als Kirche jetzt brauchen - an der Schnittstelle zwischen Kirche und Sozialraum, belebt von jungen Menschen, mitten in der Stadt Freiräume für Synergien und Ideenaustausch schaffen. Das Projekt liegt absolut im Zeit- und Finanzrahmen und wird in seinem Fortschritt eng von einem Projektlenkungsausschuss begleitet. Momentan hört man in der Öffentlichkeit weniger vom ECN, da die derzeitige Entwicklungsphase viele Entscheidungen in der Bauplanung für die endgültige Ausführung fordert. Es würde wenig Sinn machen, das Pro und Contra für einzelne Entscheidungen in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

epd: Steht die Landesstellenplanung, also die Verteilung der theologischen Stellen in Bayern, unter einem Spardruck?

Preidel: Bereits in der vorherigen Synode ist es gelungen, die Landesstellenplanung aus einer einfachen Arithmetik herauszunehmen und zu einem Gestaltungsentwurf zu entwickeln. Diese Gestaltungsmöglichkeiten sind ganz bewusst auf die mittlere Ebene verlagert worden, also in die Dekanate, weil sie am besten wissen, welche Stellen in welchem Zuschnitt sie für ihre ganz speziellen Anforderungen für die Zukunft brauchen. Das führt zu einer unglaublichen Dynamik und zu bedeutenden Veränderungen, weil es zu ganz neuen Kooperationen zwischen Dekanaten und einer Spezialisierung der Arbeit kommt.

Allerdings wird sich auch das Berufsbild der Pfarrerinnen und Pfarrer ganz deutlich ändern: Pfarrerinnen und Pfarrer werden zwar die Identifikationsfiguren der Kirchengemeinden bleiben, aber zunehmend zu Ermöglichern und Moderatoren, die sich in dem großen Netzwerk Menschen, die in der Kirchengemeinde ihre Gaben einbringen, für spezifische Aufgaben und als Multiplikatoren suchen. Schon jetzt hat die Corona-Krise zu einer großen Eigeninitiative und Kreativität bei den Gemeinden geführt, falls nötig auch einmal ohne den Pfarrer, die Pfarrerin etwas auf die Beine zu stellen. Es wird aus meiner Sicht zu einem neuen Selbstverständnis der Pfarrerrinnen und Pfarrer vor Ort kommen, das Verhältnis von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen wird sich ändern, berufsübergreifende Teams werden immer mehr Bedeutung kommen. Und Kirchengemeinden werden sich nicht so sehr vom Kirchturm, sondern eher von thematisch-inhaltlichen Identifikationsmarkern mit Schwerpunktangeboten her verstehen.

Stiegler: Das übergeordnete Ziel muss sein, wieder deutlich zu machen, dass die Kirche als Gemeinde Christi von den Gaben lebt, die von Gott geschenkt werden. Deshalb war es immer mein Rollenverständnis als Pfarrer, Räume zu öffnen, in denen sich Gaben ausleben und wachsen können. Die Pfarrer sind nicht mehr qua Amt die wichtigsten, sondern sie geben die Impulse, damit sich andere mit ihren jeweiligen Gaben entfalten können. Der Pfarrer ist dann zwangsläufig nicht mehr ein zentraler Herrscher, sondern eine Art Trainer für die Mannschaft der Christen. Das ist eine große Chance für neue Beteiligungsformen von Ehrenamtlichen, die wir benennen, zulassen und fördern müssen.

epd: Um die Landesstellenplanung und das Schwerpunktthema Finanzen geht es auf der Herbsttagung der Synode. Wie wird die ablaufen?

Preidel: Wir rechnen fest damit, dass die nächste Tagung in Präsenz durchgeführt werden kann, vor allem wegen der steigenden Impfrate. Die Synode soll - so ist die Planung - erneut im Eventzentrum in Geiselwind stattfinden, weil wir da bei unserer letzten analogen Tagung eine große Gastfreundschaft und einen hervorragenden Service erfahren haben. Zudem sind die Räumlichkeiten für unsere Beratungen sehr geeignet sind. Einziger Nachteil ist die schlechte Erreichbarkeit des Eventzentrums mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

epd: Welche inhaltlichen Themen sollte die Synode behandeln, welche persönlichen Erwartungen, Wünsche oder Sorgen haben Sie?

Preidel: Die Themen liegen noch nicht fest. Wir haben aber mit dem Thema unserer ersten Frühjahrstagung „Glaube in verletzlicher Zeit“ mitten in der Pandemie bewusst einen theologischen Schwerpunkt gesetzt. In diese Richtung würde ich gerne weitergehen. Hier müssen wir uns allerdings als Synode noch verständigen, denn meine Stimme ist ja nur eine von 108. In die nächste Zeit gehe ich ohne jede Skepsis, denn die Synode hat eine große Beweglichkeit gezeigt, die neue Kreativräume ermöglicht. Die digitalen Formate haben dazu geführt, dass sich Arbeitskreise und Ausschüsse spontan verabreden und per Videokonferenz treffen. Deshalb blicke ich auch mit großer Freude auf die lebendige Weiterarbeit. Unter anderem verspreche ich mir davon eine kreative Fortführung des Reformprozesses PuK.

Schnell: In die nächsten Jahre sehe ich mit großem Optimismus, es ist ein ermutigendes Zeichen, dass sich so viele Menschen trotz aller Probleme zu unserer Kirche bekennen oder neu mit dabei sind. Inhaltlich halte ich neben PuK vor allem das Thema „Bewahrung der Schöpfung“ für wichtig. Einige Sorgen macht mir, ob in den nötigen Veränderungsprozessen alle in der Kirche das dafür doch sehr zügige Tempo mitgehen können. Wir müssen deshalb das entsprechende Bewusstsein schaffen, um alle mitnehmen zu können.

Stiegler: Ich freue mich sehr auf die persönlichen Gespräche und Kontakte mit den anderen Synodalen. Denn viele kommen aus einem ganz anderen kirchlichen Kontext, was zu bereichernden Begegnungen führt. Inhaltlich liegt mir sehr das bereits von der Präsidentin angesprochene Thema Glaube und nächste Generation am Herzen. Denn viele reden ohne Punkt und Komma über die Kirche, wenn es aber um den Glauben geht, werden sie sprachlos. Wir müssen deshalb die Menschen ermutigen, überzeugend über ihre eigenen Glaubenserfahrungen zu reden und welche positive und existentielle Rolle der Glaube ganz konkret in ihrem Leben spielt. (00/2033/11.06.2021)

Gesundheit und Soziales

Bundesländer bereiten Aus von Impfzentren vor - Bayern wartet noch ab

Diskussion über Weiterbetrieb

Berlin, München (epd). Bis Ende September sollen viele Corona-Impfzentren geschlossen werden. Eine einheitliche Regelung der Bundesländer ist dabei aber nicht in Sicht, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Gesundheitsministerien ergab. Mehrere Länder sind offenbar skeptisch und wollen bei Bedarf ausgewählte Impfzentren weiter geöffnet lassen, darunter auch Bayern.

„Noch sind die Impfzentren ein wichtiger Bestandteil der Impfkampagne“, betonte das Bundesgesundheitsministerium auf Nachfrage. Die Gesundheitsministerkonferenz habe im März beschlossen, dass der Bund den Betrieb der Impfzentren bis mindestens zum 30. September 2021 finanziert: „Das ist der Stand der Dinge.“

Hessen hatte jüngst als erstes Bundesland bekanntgegeben: Ende September ist Schluss mit dem Spritzensetzen in den 28 Impfstraßen. Zurückhaltender zeigt sich dagegen Bayern: Die Frage nach einer möglichen Fortsetzung der Immunisierung in den Impfstraßen sei noch „Gegenstand der Abstimmungen von Bund und Ländern“. Eine Entscheidung sei aktuell nicht abzusehen. Das hänge von vielen Faktoren ab, etwa dem Impffortschritt und der möglichen Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen.

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) teilte am Sonntag mit, dass die Schließung der Impfzentren zum 30. September ein Fehler wäre. Die Aufrechterhaltung sei notwendig, weil derzeit nur ein Viertel der Menschen in Bayern geimpft sei. Außerdem brauche es eine zeitnahe Perspektive für die vielen BRK-Mitarbeiter in den Impfzentren. Das Bayerische Rote Kreuz ist mit über 40 Impfzentren im Auftrag der Landkreise und kreisfreien Städte der größte Impfzentrumsbetreiber im Freistaat. Rund 2.000 BRK-Mitarbeiter sind in den Zentren eingesetzt.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, forderte Bund und Länder auf, für eine weitere Finanzierung zu sorgen. „Die Impfzentren machen einen guten Job. Die Teams sind eingespielt“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). Er wies darauf hin, dass Verträge, die die Kommunen geschlossen haben, bis Ende Juni gekündigt werden müssten, wenn die weitere Finanzierung nicht gesichert sei. „Wenn hier der Schalter umgelegt ist, sind die Impfzentren bald zu - dann wohl endgültig.“

Nach derzeitigem Stand laufen die Impfzentren in Baden-Württemberg bis zum 15. August. Das Hamburger Impfzentrum in den Messehallen soll bis mindestens August in Betrieb sein. In Sachsen werden die Zentren dagegen nur bis mindestens Ende Juli offen sein. Bremen, das drei Impfzentren betreibt, schließt eines schon Ende Juni.

Einige Länder haben noch kein festes Enddatum und wollen die Entscheidung über eine Schließung der Impfzentren vom jeweiligen Impffortschritt oder von den Bund-Länder-Verhandlungen abhängig machen. Dazu zählen neben Bayern auch Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und das Saarland.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Samstag sind bislang 25,7 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland vollständig geimpft. 48,1 Prozent haben ihre erste Impfung bekommen. (00/2051/13.06.2021)

Minister ruft zum Blutspenden auf: Täglich 2.000 Blutkonserven nötig

München (epd). Jeden Tag werden in bayerischen Krankenhäusern 2.000 Blutkonserven gebraucht. Statistisch gesehen werde das meiste Blut zur Behandlung von Krebspatienten benötigt, danach folgten Menschen mit Herz- sowie Magen- und Darmkrankheiten, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zum Weltblutspendetag (14. Juni). Mit einer Blutspende könne bis zu drei kranken oder verletzten Menschen geholfen sowie die Überlebenschancen von Schwerstverletzen gesteigert werden.

Das Blutspendenaufkommen gleiche derzeit allerdings in der Corona-Pandemie einer Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen, sagte Holetschek weiter. „Gerade jetzt vor dem Hintergrund weiterer Lockerungen sowie der anstehenden Sommerferien, in denen es normalerweise auch außerhalb der Pandemie weniger Blutspenden gibt, ist es elementar wichtig, dass weiterhin genügend Menschen Blut spenden“, rief er zur Blutspende auf. Dazu komme, dass Blutpräparate nicht lange haltbar seien.

Nach Angaben des Blutspendedienstes des Bayerischen Roten Kreuzes gibt es im Freistaat aktuell rund 280.000 aktive Blutspender, die im Schnitt knapp zwei Mal im Jahr spenden. Die Blutspendebereitschaft in Bayern liegt mit fünf Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt von etwa drei Prozent. Frauen können viermal, Männer sechsmal innerhalb von zwölf Monaten Blut spenden. (01/2046/13.06.2021)

Auszeichnungssegen für das Aelius Förderwerk

Nürnberg (epd). Das Nürnberger Aelius Förderwerk hat gleich drei Auszeichnungen erhalten. Die ehrenamtlichen Unterstützer von benachteiligten Kindern und Jugendlichen haben den ersten Platz beim Bayerischen Digitalpreis errungen, wie das Digitalministerium am Freitag mitteilte. Die Auswahl der Siegerprojekte erfolgte je zur Hälfte über ein Internet-Voting und eine Juryentscheidung. Das Aelius-Förderwerk selbst teilte mit, einen von sieben Bundespreisen im Rahmen des startsocial-Wettbewerbs für besonderes soziales Engagement bekommen zu haben. Im Deutschen Deutschen Demografie-Wettbewerb habe man in der Kategorie "Diversity” gewonnen.

Den Verein Aelius Förderwerk hat der gebürtige Nürnberger Sagithjan Surendra 2018 zusammen mit Gleichgesinnten gegründet. Der Student der Molekularen Medizin an der Uni Erlangen-Nürnberg will Schüler ideell fördern, ihren eigenen Bildungsweg zu gehen, und unterstützt sie dabei mit Mentoren. Dazu kommen Workshops, die entweder selbst entwickelt sind oder im Auftrag von Schulen oder Organisationen der Jugendarbeit kostenlos konzipiert werden.

Über die verschiedenen Formate wurden nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 2.000 Schüler erreicht. Für das Engagement mit Jugendlichen aus sozioökonomisch benachteiligten Haushalten erhielt der Verein zuletzt vom Bayerischen Landtag auch den mit 10.000 Euro dotierten Bürgerpreis 2020. Zuvor hatte bereits der Deutsche Hochschulverband Surendra als einen Vorkämpfer für Chancengerechtigkeit als „Studenten des Jahres“ ausgezeichnet. (00/2030/11.06.2021)

Umwelt und Natur

Geheimnisvoller Magnetfeld-Messer

Vogel des Jahres: Das Rotkehlchen verblüfft die Forscher

Von Marcus Mockler (epd)

Hilpoltstein, Stuttgart (epd). Man könnte das Rotkehlchen einen Allerweltsvogel nennen. Alleine in Deutschland gibt es schätzungsweise vier Millionen Brutpaare, gefährdet ist die Art hier nicht. Das unverkennbare Federtier mit der orange-roten Brust fasziniert Mythenerzähler und Forscher gleichermaßen. In einer von Naturschutzbund (Nabu) und bayerischem Landesbund für Vogelschutz (LBV) organisierten öffentlichen Abstimmung wurde das Rotkehlchen zum „Vogel des Jahres“ 2021 gekürt.

Das auffällige und leicht zu bestimmende Tier nimmt in Christuslegenden einen prominenten Platz ein. Es soll bei der Kreuzigung von Jesus Christus einen Dorn aus dessen Krone entfernt haben und daraufhin mit einem Blutstropfen des Heilands besprengt worden sein. In England erzählt man sich, der Vogel habe dem Gekreuzigten Trostlieder gesungen und sei dabei mit dessen Blut gekennzeichnet worden.

Jenseits der Mythen wartet der kleine Singvogel mit erstaunlichen Besonderheiten auf. Beispielsweise gibt es im Federkleid zwischen Weibchen und Männchen keinen Unterschied, während bei anderen Vögeln die farbliche Ausstattung stark geschlechtsabhängig ist. Außerdem kann das rund 14 Zentimeter große und bis zu 18 Gramm schwere Rotkehlchen einen unfassbaren Krach machen: Um einen Konkurrenten aus seinem Revier zu vertreiben, dreht das Männchen auf bis zu 100 Dezibel auf - damit spielt es in der Liga einer Diskothek oder eines Presslufthammers.

Und es gibt noch mehr Eigenheiten bei diesem Vogel, der sich vor allem von Insekten, Spinnen, Regenwürmern, aber auch Samen und kleinen Früchten ernährt. So nutzt er die Technik des sogenannten Einemsens: Dabei nimmt das Rotkehlchen lebende Ameisen in den Schnabel und zieht sie sich durch seine Federn. Dieses auch von anderen Vögeln praktizierte Verhalten soll vermutlich der Gefiederpflege dienen, zumal Ameisensäure gegen Krankheiten wirkt.

Das Geheimnisvollste dürfte aber der Orientierungssinn des Rotkehlchens sein. Hier ist der Vogel gleich mit zwei Rezeptoren ausgestattet, die Magnetfelder messen. Der eine befindet sich im rechten Auge, ist vom Licht abhängig und berechnet offenbar den Winkel, unter dem eine magnetische Feldlinie die Erdoberfläche schneidet. Der andere Rezeptor steckt im nasalen System und reagiert auf Veränderungen im sogenannten magnetischen Fluss. Noch sind wichtige Details dazu ungeklärt - beispielsweise der genaue Sitz des Magnet-Sinnesorgans -, die Biologen staunen allerdings über so viele Sensoren in einem so kleinen Vogel.

Da die Art in unseren Breiten nicht gefährdet ist, gibt es auch keine speziellen Förderprogramme für das Rotkehlchen. Der bayerische Landesbund für Vogelschutz sieht allerdings mit Sorge allzu „aufgeräumte“ Gärten, in denen die Vögel weniger Nahrung und kaum einen Nistplatz finden.

Stefan Bosch vom baden-württembergischen Nabu weist darauf hin, dass von vielen Naturschutzaktionen auch der „Vogel des Jahres“ profitiert. Dazu gehören naturnahe Gärten, Biotopvernetzung, eine bessere Waldwirtschaft und die Pflege von Hecken, Gebüschen und Obstwiesen. Artenfreundliche Gärten nützen vielen Tieren, sagt Bosch - nicht nur dem Rotkehlchen, sondern auch Tagpfauenauge, Admiral, Florfliege, Spitzmaus, Igel und Zwergfledermaus. (00/2026/11.06.2021)

Kultur

Kabarettist Zimmerschied kritisiert Klima- und "Genderwahnsinn"

Augsburg, Passau (epd). Der Passauer Kabarettist Sigi Zimmerschied hadert mit den seiner Einschätzung nach rigorosen Klima- und Genderdebatten. „Früher hat man nichts gegen den Heiligen Geist und die Jungfrau Maria sagen dürfen, heute nichts gegen Klimaüberschwang“, sagte der 67-Jährige der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstagsausgabe). Diese neuen Tabus würden mit derselben ironiefeindlichen Unterkühltheit präsentiert werden.

Er habe den früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU), „die Päpste und die katholischen Kleriker, die Weltkriegsveteranen und die 80 Prozent CSU in Passau überlebt“, sagte Zimmerschied weiter. „Da werde ich diese paar Jahre Genderwahnsinn und neue Moralität überstehen.“

Zimmerschied macht dafür auch die Medien verantwortlich: Die Fähigkeit, Ironie verstehen zu können, habe sich kurioserweise schon längere Zeit abgebaut. „Das hängt sehr viel zusammen mit der Trivialisierung von Ironie durch die Medien.“ Die Unterhaltungsabteilungen in den Fernsehstationen hätten der Ironie einen oberflächlichen Teppich bereitet und dadurch die tiefschürfende Form im Kabarett kaputt gemacht, sagte Zimmerschied. (01/2041/12.06.2021)

Liedermacher Wecker hadert mit narzisstischen Herrschern

München (epd). Der bayerische Liedermacher Konstantin Wecker (74) träumt von einer herrschaftsfreien Welt. „Wir sind seit tausenden Jahren von malignen, narzisstischen Herrschern besetzt. Von Caligula bis Trump: Wieso hat es sich die Menschheit immer gefallen lassen, beherrscht zu werden?“, führte Wecker im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ (Montagsausgabe) aus.

„Wir haben doch alles vernichtet, was uns am Leben erhält. Wir machen die Tier- wie die Pflanzenwelt kaputt. Wir vernichten, anstatt aufzubauen“, kritisierte Wecker. Das habe alles mit „diesen Herrschaftsstrukturen zu tun, die uns auch zum zerstörerischen Immer-Mehr und zur Konkurrenz treiben“. Dem allem stehe sein „naiver Wunsch nach Utopia“ entgegen. „Und ich stehe zu meiner Naivität.“

Auch mit Europa hadert der Liedermacher aktuell. Was derzeit mit Geflüchteten passiere, sei eine Katastrophe. „Ich gehöre zu den ganz wenigen glücklichen Menschen der Weltgeschichte, die in ihren über 70 Jahren selbst keinen einzigen Krieg erlebt haben.“ Aber die Kriege, „die wir nicht erleben mussten“, würden trotzdem in die Welt getragen, auch von Europa aus, betonte Wecker. Als Grund nannte er auch die deutschen Waffenlieferungen.

In dem Interview ging Wecker auch auf sein eigenes Leben ein: Man müsse sich etwa mit dem Alter versöhnen. „Das ist in unserer Gesellschaft sehr schwer: Stille einkehren zu lassen. Das wäre die Aufgabe des Alters.“ Auch das Scheitern sei ein wesentlicher Teil des Lebens. Die Kunst liege darin, es anzunehmen. „Es nicht immer wieder zu schieben auf die anderen oder die Verhältnisse. Nur wenn man sich letztlich als verantwortlich für sein eigenes Scheitern begreift, kann man daraus lernen und wachsen.“ (00/2044/12.06.2021)

Historische Dachbalken werden zu Kunst

Nürnberg (epd). Die Kirchengemeinde St. Sebald in Nürnberg hat am Freitag ihr Kunstprojekt „Balken“ gestartet. 60 unversehrte über 500 Jahre alte Originalbalken aus dem Dachstuhl des Sebalder Pfarrhofs sind bei den Restaurierungsarbeiten dem Bauschutt entgangen und sollen jetzt zu Kunstwerken werden. Unter der Begleitung der Kunsthistorikerin Christiane Lischka-Seitz und dem Holzbildhauer Stefan Schindler werde sich eine Gruppe von etablierten Kunstschaffenden und jungen Studierenden an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg mit dem historischen Material auseinandersetzen, teilte Projektleiterin Andrea Franke mit. Am Freitag suchten sich Künstlerinnen und Künstler „ihre“ Fichten- oder Kiefernholz-Balken aus.

Die Kunstschaffenden erhalten eine Aufwandspauschale, überlassen der Gemeinde die Werke zum Verkauf und verzichten auf die Hälfte des Erlöses, sagte Franke. Die andere Hälfte fließt in ein Fundraising Projekt. Die nicht verkauften Werke würden in den drei folgenden Jahren präsentiert, eine Auktion sei in Planung. Die entstandenen Werke sollen in einer Vernissage im Mai 2022 in der Sebalduskirche und der Akademiegalerie im benachbarten Haus der Industrie- und Handelskammer (IHK) gezeigt werden.

Vor der aktuellen Aktion war der Bildhauer Harald Kienle beauftragt, aus den 60 Balken eine raumgreifende Installation im Ost-Chor der Sebalduskirche zu gestalten, die nun wieder aufgelöst ist. Aus den Holznägeln in den Balken wurde ein Kreuz gearbeitet, das seit 2020 in den Amtsräumen des Nürnberger Oberbürgermeisters Marcus König (CSU) hängt.

Im rund 650 Jahre alten Pfarrhof von St. Sebald verkehrten im Laufe der Zeit Prominente wie Albrecht Dürer und Philipp Melanchthon. Derzeit wird das Gebäude aufwändig renoviert. Die Sanierung kostet über sechs Millionen Euro. (01/2032/11.06.2021)

Das Corona-Ende feiern: Münchner Schäffler wollen 2021 tanzen

München (epd). Die traditionsreichen Münchner Schäffler wollen eine Ausnahme machen - und noch in diesem Jahr auftreten, um das Ende der Corona-Pandemie zu feiern. „Wir werden dieses Jahr noch tanzen“, sagte der Vereinsvorsitzende Wilhelm Schmid dem „Münchner Merkur“ (Samstagsausgabe). Er habe schon vor längerer Zeit einen Anruf aus der Staatskanzlei erhalten: „Der Herr Ministerpräsident möchte, dass der erste Tanz nach Corona vor ihm stattfindet.“

Der diesjährige Tanz sei aber erst nach dem Sommer geplant, wenn es wieder kühler wird. „Unser Gwand ist ein reines Wintergwand. Bei null Grad ist es angenehm, aber im Sommer ist es unseren Tänzern nicht zuzumuten, in wollenen Strümpfen, Bundhose, Lederschurz und Weste aufzutreten“, sagte Schmid. Ein Tanz dauert übrigens 23 Minuten, an jedem Tanz nehmen 20 Tänzer teil, zwei Reifenschwinger, ein Fähnrich und zwei Kasperl.

Eigentlich tanzen die Schäffler - also Fassmacher - nur alle sieben Jahre, das nächste Mal offiziell erst 2026. Der erste Tanz in München soll 1517 stattgefunden haben, als Dank für das Ende der Pestwelle. „Die Schäffler tanzen traditionell nach einer Pandemie“, betonte der zweite Vorstand Christian Baumann gegenüber dem „Münchner Merkur“. „Die Pest, das muss man sich mal vorstellen, ist 25 bis 30 Mal nach München gekommen.“

Die Menschen hätten sich monatelang nicht aus ihren Häusern getraut, sagte Baumann weiter. Es habe Pestwellen gegeben, in denen ein Drittel der Münchner Bevölkerung ums Leben gekommen sei, sagte Schmid. „Das sind unvorstellbare Zahlen.“ Die Wirtschaft habe darnieder gelegen, es seien keine Bauern mehr in die Stadt gekommen, die Menschen hätten furchtbar gehungert. „Da geht es uns heute - trotz Corona - gut“, sagte Schmid (00/2035/11.06.2021)

Münchner Motettenchor startet wieder in Konzertsaison

München (epd). Nach der monatelangen Corona-Pause startet der Münchner Motettenchor wieder in die Konzertsaison. Am Freitag (18. Juni, 19 Uhr) ist der Chor bei freiem Eintritt in der Reihe „Motette in Matthäus“ in der Münchner Matthäuskirche zu hören. Dabei singt der Chor, der noch mit einer reduzierten Zahl an Sängerinnen und Sängern auftritt, unter der Leitung von Benedikt Haag Werke von Henry Purcell, Gottfried August Homilius, Felix Mendelssohn Bartholdy und Ralph Vaughan. Begleitet wird der Motettenchor bei der besinnlichen musikalischen Stunde zum Wochenausklang von Landeskirchenmusikdirektor Ulrich Knörr an der restaurierten Orgel der Matthäuskirche.

Der Motettenchor, der regelmäßig die Gottesdienste an der evangelischen Bischofskirche St. Matthäus musikalisch gestaltet, gehört zu den renommierten Münchner Konzertchören. Neben traditionellen Werken wendet sich der Chor auch immer wieder der modernen zeitgenössischen Musik zu. (00/2047/13.06.2020)

Freilandmuseum startet Themenwoche zu Jüdischem Leben in Franken

Bad Windsheim (epd). Im April 2020 wurde mit dem Wiederaufbau der Landsynagoge aus dem unterfränkischen Allersheim (Kreis Würzburg) im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim begonnen - passend dazu veranstaltet das Museum vom 21. bis 27. Juni nun eine Themenwoche zum Jüdischen Leben in Franken. Die Synagoge wurde 1740/41 erbaut und diente rund 100 Jahre als Gotteshaus, sie gilt als archetypisch für die früher häufigen kleinen fränkischen Landsynagogen.

Ein Rundweg auf dem Museumsgelände erschließe mit 24 Stationen auf dem Museumsgelände eine dezentrale Ausstellung zum Judentum. Vor den verschiedenen wiederaufgebauten Museumshäusern informieren Tafeln über die jeweilige jüdische Geschichte im Ursprungsort der Gebäude. Außerdem gebe es Informationen zu Themen wie der Mikwe (dem jüdischen Ritualbad in einer Synagoge), dem jüdischen Friedhof, dem jüdischen Schulwesen oder auch dem Amt des Rabbiners, hieß es.

Das dezentrale Ausstellungskonzept habe man angesichts der Corona-Pandemie bewusst gewählt, weil so die Konzentration zu vieler Menschen auf engem Raum vermieden werden kann. Aktuell hat das Museum täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet, derzeit haben 25 der 100 Museumshäuser wieder für Besucher „in einer Einbahnstraßenregelung“ geöffnet - mit Maskenpflicht im Innenbereich. Während der Themenwoche gibt es zudem täglich Vorträge, Infostände oder Baustellenführungen.

Die Allersheimer Synagoge gilt als Paradebeispiel für eine schlichte fränkische Landsynagoge. Sie beherbergte den Betsaal, die Wohnung des Rabbiners und ein Ritualbad im Keller, der Mikwe. Die Synagoge war im November 2014 transloziert worden - das bedeutet, sie wurde von Spezialisten in Einzelteile zerlegt und im Museumsdepot eingelagert. Allersheim war Anfang des 19. Jahrhunderts eine kleine Hochburg des fränkischen Landjudentums. Es gab 18 jüdische Haushalte.

Parallel zum Wiederaufbau der Synagoge findet auch ein Forschungsprojekt zum Jüdischen Leben in und um Allersheim statt, teilte das Museum mit. Rund 1.500 biografische Skizzen von Bürgerinnen und Bürgern seien inzwischen gesammelt worden. Sie zeichneten „ein lebendiges Bild jüdischen Lebens in Franken und darüber hinaus“. (00/2034/11.06.2020)

Experten sprechen über "Einstein und sein Judentum"

Ulm, München (epd). Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und das künftige Einstein-Museum Ulm wollen Albert Einsteins Haltung zum Judentum näher beleuchten. Dazu gebe es am kommenden Dienstag (15. Juni) ein öffentliches virtuelles Fachgespräch unter dem Titel „Albert Einstein und sein Judentum in den Jahren 1879 bis 1933“, teilte die Stadt Ulm am Freitag mit. Teilnehmen werden der Professor für Jüdische Geschichte und Kultur an der LMU, Michael Brenner, der Projektleiter für das künftige Ulmer Einstein-Museum, Ingo Bergmann, und der Einstein-Experte Ze‘ev Rosenkranz.

Beleuchtet werde Einsteins persönliches Verhältnis zu Religion und jüdischer Identität, seine Haltung zum Zionismus und seine Erfahrung und Antwort auf den Antisemitismus in der Weimarer Republik. Der Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein wurde 1879 als Kind jüdischer Eltern in Ulm geboren. (00/2031/11.06.2021)

Von Nylonstrümpfen umweht

Kunstinstallation macht Dreieinigkeitskirche Regensburg zur Bühne

Von Gabriele Ingenthron (epd)

Regensburg (epd). Wenn Sibylle Kobus an ein paar Seilen zieht, dann tun sich neue Welten auf. Eine davon ist derzeit in Regensburgs größter protestantischer Kirche zu sehen. Die Kunstinstallation „Drei: innen“ wird am 15. Juni (19 Uhr) in der Dreieinigkeitskirche eröffnet. Schnüre hängen vom Tonnengewölbe herab, ein elastisches Material hängt daran. Die Künstlerin hat es gespannt, genäht und in Form gezogen, sodass sich das Gebilde raumgreifend entfalten kann. Drei Wochen lang hat die Münchner Bildhauerin im Kirchenraum gearbeitet, um das überdimensionale Gebilde zu schaffen. Der Clou dabei ist: Kobus verwendet Nylonstrümpfe als Material.

Durch einen Radiobericht über den Zweiten Weltkrieg sei sie auf das Material aufmerksam geworden. Als die USA 1941 in den Krieg gegen Japan einstiegen, war auch der Export der Fallschirmseide von dort gestoppt. Die Amerikaner stiegen kurzerhand auf Nylon um. Patriotische Frauenverbände sammelten ihre Nylons, die für sie Luxusgüter waren, und recycelten sie für die Soldaten. „Das hat mich fasziniert, dass die Nylons unter der Hand der nähenden Frauen zu Fallschirmen wurden“, sagt Kobus.

Auch sonst waren die Strümpfe ein heiß begehrtes Material: Auf dem Schwarzmarkt avancierten sie neben Zigaretten zu einer regelrechten Ersatzwährung und wurden für etwa 200 Reichsmark gehandelt, was in etwa dem Monatsgehalt einer Sekretärin entsprach. In den Nachkriegsjahren hatte sich der Begriff „Nylons“ als Verkörperung fraulicher Begehrlichkeiten einen regelrechten Kultstatus erobert.

Haufenweise liegen die Nylons nun im Kirchenschiff herum und warten auf ihre Verarbeitung. So, als hätte die Künstlerin der klar gegliederten architektonischen Struktur eine Portion Unordnung und Chaos aufs Auge gedrückt. „Das Material transportiert ganz viel Weibliches“, sagt sie. Wie ein Weichzeichner wirke es im Kirchenraum, sei sexy und stehe für all diese mit Frauen konnotierten Eigenschaften: „Das Dehnbare aushalten bis zum Nicht-Reißen, die zweite Haut, die vieles überdeckt und schön macht, das Mäntelchen über vieles hält.“

Wenn Sibylle Kobus nicht gerade Räume bespielt, gestaltet sie Bühnenbilder. Und so inszeniert sie auch den Kirchenraum, der unter ihrer Hand zu etwas Anderem, Fremdem wird, in dem sich neue Achsen, Linien, Räume ergeben, so wie sie es 2016 auch schon in der Lukaskirche in München getan hat. „Als Künstlerin liebe ich Arbeiten, die überraschen, irritieren, erstaunen. Denn all das provoziert ein Innehalten, damit dieses Andere betrachtet werden kann.“

Die Installation in Regensburg war schon für 2020 geplant, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, sagt die Kunstbeauftragte des Kirchenkreises, Pfarrerin Gabriele Kainz. Dann kam Corona. „Meine Vorstellung ist, dass Leute nun in die Kirchen kommen, sich hinsetzen und über den Raum sinnieren: Wo brauchen wir veränderte Sichtweisen auf unsere Kirche, wo Nähe, Distanz und wo eine Schutzhülle?“, sagt Kainz.

In jedem Fall bringt das Kunstgebilde Schwung in das schwere, monumentale Gebäude. Genau das, was Kirche heute brauche. „Es ist zwingend notwendig, dass Kirche in eine neue Wirklichkeit gehen kann. Und dies geschieht durch Provokationen, dadurch, dass Dinge geschehen, die Menschen auffallen“, sagt Martin Schulte, Pfarrer der Dreieinigkeitskirche. (00/2045/13.06.2021)

Bildung

GEW-Vorsitzende: Schüler nach Corona-Pause nicht überfordern

München (epd). Die neue Bundesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Maike Finnern, warnt nach den monatelangen coronabedingten Schulschließungen davor, nun die Schüler zu überfordern. „Es kann nicht im Vordergrund stehen, jetzt Klassenarbeiten zu schreiben und Leistungs-Überprüfungen abzunehmen“, sagte sie im Interview mit Bayern 2 am Freitag.

Natürlich müsse auch Stoff nachgeholt werden, aber das könne nicht Ziel der ersten zwei, drei Wochen sein, mahnte die aus Nordrhein-Westfalen stammende Finnern. Man müsse vielmehr gucken, wie die Kinder und Jugendlichen diese Zeit überstanden hätten. Auch von Nachhilfe-Stunden in den Sommerferien hält sie wenig. „Ich glaube, dass Kinder und Jugendliche gerade auch in diesen Sommerferien Auszeiten brauchen.“

Mit Blick aufs kommende Schuljahr rechnet Finnern nicht mehr mit monatelangen coronabedingten Schulschließungen. Man könne es zwar nicht ganz ausschließen, „wir haben aber eine etwas andere Situation als im letzten Jahr“. Aber die Bereitschaft bei den Beschäftigten in den Schulen, sich impfen zu lassen, sei enorm hoch.

Dennoch braucht es ihrer Meinung nach immer noch mehr Unterstützung für die coronasichere Ausstattung der Klassenräume. „Es ist das größte Problem, dass wir es 15 Monate nach Beginn der Pandemie immer noch nicht geschafft haben, Schulen zum Beispiel mit Luftfiltern auszurüsten.“ Dies könnten Kommunen und Schulträger finanziell nicht allein stemmen. (00/2025/11.06.2021)

Sport

Fußball-Manager: Es passiert nicht genug gegen Rassismus

Erlangen/Nürnberg (epd). Experten fordern mehr Einsatz gegen Rassismus im Fußball. Der Geschäftsführer des Bundesliga-Aufsteigers SpVgg Greuther Fürth, Rachid Azzouzi, berichtete bei einer Online-Veranstaltung von „Bildung Evangelisch“ Erlangen und der „Deutschen Akademie für Fußball-Kultur“ in Nürnberg am Donnerstagabend, dass er während seiner aktiven Zeit als Fußball-Profi immer wieder Schmährufe wie „Kameltreiber“ gehört habe. Azzouzi ist gebürtiger Marokkaner und wuchs im Rheinland auf.

Azzouzi räumte zwar ein, dass die rechte Hooliganszene aus den Fanblocks verschwunden sei und sich heute die Ultra-Fans gegen Rassismus positionierten. Trotzdem fänden immer noch Beleidigungen wegen der Hautfarbe statt. „Dagegen passiert nicht genug“, kritisierte er und berichtete von einem Bundesliga-Spiel, das der Schiedsrichter trotz Schmährufen im Stadion weiterspielen ließ. Dagegen sei aber ein Spiel abgebrochen worden, als aus dem Fanblock ein Bild von SAP-Gründer und Mäzen der TSG Hoffenheim, Dietmar Hopp, im Fadenkreuz auftauchte.

Für die Rassismus-Forscherin Tina Nobis von der Universität Osnabrück ist klar: „Wir haben rassistische Bilder im Kopf.“ Das müsse sich die Gesellschaft bewusst machen. Laut der Wissenschaftlerin werden bis heute in der Sportberichterstattung schwarze Spieler gern mit Attributen wie „aggressiv, athletisch und schnell“ beschrieben, Weiße als „teamorientiert, taktisch oder organisierend“. In einer Studie habe sie nachgewiesen, dass es gemäß der Stereotypen eine „Überrepräsentation“ auch auf dem Fußballplatz gebe. Taktische Positionen seien überwiegend mit weißen Spielern, schwarze Spieler entsprechend anders aufgestellt worden. Das liege nicht an einzelnen rassistischen Trainern, sondern an den unbewussten Bildern im Kopf.

Für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit seinen rund 25.000 Vereinen stellte auch Diversity-Managerin Claudia Krobitzsch dar: „Rassismus wird es im Fußball genauso geben wie überall in der Gesellschaft.“ Gegen rassistische Schmährufe in Stadien habe der DFB im letzten Jahr eine dreistufige UEFA-Regel übernommen, das nun auch den Spielabbruch für deutsche Ligen vorsieht. Außerdem soll eine spezielle Förderung für Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Proporz in den Fußball-Verbänden verbessern. „Wir wollen die Menschen sichtbar machen.“ (00/2024/11.06.2021)