Pablo Picasso Superstar
Von Dorothee Baer-Bogenschütz (epd)
Frankfurt a. M. (epd). Malend zerlegte er das Menschenbild. Männer und Frauen am Rand der Gesellschaft konnten ein Motiv sein - Ausgemergelte und Alkoholkranke in der „Blauen“ und Gaukler in der „Rosa Periode“ - ebenso wie ihm Nahestehende. Er verpasste Frauen schief sitzende Augen und Lippen, schuf formal zugespitzte Porträts seiner Gefährtinnen oder erotische Frauenbilder und wurde so zum Superstar der Kunst: Pablo Picasso (1881-1973).
Sein Gemälde „Les Demoiselles d'Avignon“ (1907) zeigt fünf Frauen aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig und gilt als bahnbrechend für den Kubismus. Am bekanntesten aber ist ein Werk, das ihn als politisch engagierten Künstler ausweist: „Guernica“, das monumentale Antikriegsgemälde von 1937: ein ikonischer Beitrag zur Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Picasso unterstützte die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg, 1944 trat er der Kommunistischen Partei Frankreichs bei.
Seine anhaltende innovative Energie, Themenvielfalt und stilistische Wandelbarkeit sind Teil des Phänomens Picasso. Gern wird er als Genie oder Jahrhundertkünstler bezeichnet. Anlässlich seines 50. Todestages - er starb am 8. April 1973 in seiner Villa in Mougins an der Côte d'Azur - feiern ihn zahlreiche internationale Ausstellungen.
Aber ist Picasso noch wichtig für den Nachwuchs? Markus Müller ist Direktor des Kunstmuseums Pablo Picasso Münster, dem einzigen Picasso-Museum in Nordeuropa. Er sagt: Picasso sei „eine wichtige Identitätsfigur für jeden, der schöpferisch tätig ist“. Allerdings berufe sich ein Großteil der jüngeren Avantgarden „wohl eher“ auf Marcel Duchamp, den „großen intellektuellen und konzeptuellen Gegenpart“. Für Jüngere sei Picasso „museal gut abgehangen, kein Aufreger, aber ein großer Anreger“. Als „Revolutionär“ erlebten sie ihn nicht mehr.
Dabei war der Spanier aus dem südspanischen Malaga, der Frankreich zur Wahlheimat machte, viel mehr als eine Gestalt, die kunsthistorische Seminare und Kunstbuchregale füllt. Er war auch die Verkörperung des „mediterranen Machos“, oft sonnengebräunt fotografiert, mit bloßem Oberkörper in Shorts steckend.
Nicht denkbar wäre sein Leben und Werk ohne Frauen wie Dora Maar, Françoise Gilot oder Jacqueline Roque. Der Mann mit der dominanten Persönlichkeit hatte eine Vielzahl von Partnerinnen und Affären, sein Umgang mit Frauen gerät im Rahmen der „Me Too“-Bewegung zunehmend in die Kritik. In den USA werde er „bisweilen in einem Atemzug mit Harvey Weinstein und Woody Allen genannt“, sagt Müller.
Indes ziehen die Preise für seine Werke seit zehn Jahren an, sagt Anne Rinckens vom Auktionshaus Van Ham in Köln. Erstmals seit gut 25 Jahren ist mit „Buste de femme“ (1971) jetzt wieder ein kapitales Picasso-Gemälde auf dem deutschen Kunstmarkt verfügbar. Van Ham versteigert es am 5. Juni mit einer Schätzung im unteren siebenstelligen Bereich.
Picasso war ein beinharter Arbeiter, hinterlässt mit rund 16.000 Gemälden und Zeichnungen, 1.200 Skulpturen, 3.000 Keramiken und Tausenden Grafiken das umfangreichste Werk eines bildenden Künstlers im 20. Jahrhundert.
Kritikern gibt das Werk aber auch Anlass zur Überprüfung möglicher kultureller Aneignung. Während Picasso neue Sichtweisen anbahnte und ästhetische Fesseln sprengte, ging er, so Müller, als Sohn seiner Zeit mit Kunst aus kolonialem Kontext wie afrikanischen Masken und Skulpturen „völlig unkritisch“ um. Das Museum in Münster thematisierte dies 2022 in einer Sonderschau und zeigt Picasso gegenwärtig in „A Collector's Choice - Picasso, Miró, Schlemmer, Kirchner & Co.“ neben Meistern der Klassischen Moderne.
Parallel läuft die Schau „Zum Zeigen gegeben“ als Teil der „Picasso Celebration 1973-2023“, die den Ausnahmekünstler unter Federführung des Pariser Musée Picasso weltweit würdigt. 2024 geht es in Münster dann um seinen Wert für das Marketing. In Gestalt seiner Signatur auf einem weit verbreiteten französischen Kleinwagen begegnet man Picasso beispielsweise auf der Straße.
Acht Museen, sechs in Spanien und zwei in Frankreich, sind ihm in Städten gewidmet, die über seine Biografie mit ihm verbunden sind: in seiner Geburtsstadt Malaga - dort sind es zwei Museen -, in Barcelona und Madrid, wo er studierte, in A Coruña, Paris und Antibes, wo er lebte und arbeitete. Noch ein Geheimtipp ist das katalanische Städtchen Horta de Sant Joan, das den Kubismus mit befruchtete und im Picasso Center Fans empfängt. Picassos geflügelte Sendbotin hingegen schaffte es in die ganze Welt: die 1949 entworfene Weltfriedenstaube.